Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War
entgegenbringen.«
Am liebsten hätte Corso erbittert gelacht, aber er beherrschte sich; gleichzeitig fiel ihm auf, dass der Zug allmählich sein Tempo drosselte.
Zu seiner Überraschung verbesserte sich seine Situation tatsächlich. Wenigstens für eine kurze Zeit.
Der Zug glitt in einen Bahnhof hinein, der exakt so aussah wie der, aus dem sie losgefahren waren, und man schaffte Corso eilig nach draußen. Als er wenige Minuten später wieder dem gleißenden Sonnenlicht ausgesetzt war, stellte er fest, dass sie sich am Rand einer weiten, völlig flachen Ebene befanden, die man zur Gänze mit einem Belag versiegelt hatte. Das Areal wirkte genauso öde und leblos wie jeder andere Raumhafen. Am diesigen Horizont sah man die Türme einer Stadt – vermutlich handelte es sich um die Ansiedlung, aus der sie gerade gekommen waren – und gleich dahinter ragten schroffe Berggipfel auf.
Unverzüglich bugsierte man Corso über die Betonfläche zu einer Startrampe auf Rädern; auf der Plattform thronte ein schneller Boden-Orbit-Scooter, dessen nachtschwarze Außenhülle das Sonnenlicht widerspiegelte. Man verfrachtete ihn hinein, stieß
ihn in einen Gel-Sessel, und dann durfte er zusehen, wie Honigtau und der Wachposten neben ihm in ihre eigenen Sicherheitsgeschirre kletterten.
Nur Augenblicke später hob der Scooter ab, und Corso wurde mit solcher Wucht in seinen Gel-Sessel hineingepresst, dass es sich anfühlte, als würde ein drei Tonnen schwerer Elefant sich plötzlich mit dem Hinterteil auf seine Brust setzen.
Doch schon nach wenigen Minuten ließ der entsetzliche Druck nach, und er merkte, dass sie den Orbit erreicht hatten.
Es dauerte nicht lange, und man brachte ihn in ein anderes Schiff, das im Orbit kreiste. Aus dem Fenster des winzigen Schiff-zu-Schiff-Shuttles, das sie übersetzte, erhaschte er vor dem Umsteigen einen Blick darauf. Das Schiff war ein bösartig aussehendes Ungetüm, dessen gigantische, gepanzerte Flanken vor Waffengondeln starrten. Vom Kaliber her glich es der Hyperion, dem Kriegsschiff der Freistaatler, das Corso nach Nova Arctis transportiert hatte.
Dahinter entfaltete sich das glitzernde, gestirnte Band der Milchstraße, und tief drunten konnte er die hellen Lichter der im niedrigen Orbit schwebenden Docks ausmachen. Noch tiefer schimmerten die blaugrünen Kontinente und die ausgedehnten, seichten Ozeane von Ironbloom.
Corso konnte nur raten, wohin sie ihn schafften, aber er tippte darauf, dass sie zu dem Wrack zurückflogen. Während er den in der Tiefe schwebenden Planeten betrachtete, fragte er sich, ob Dakota immer noch in ihrer Zelle steckte, und ob sie vielleicht gerade in diesem Moment zum Himmel hinaufblickte.
Nachdem Corso sicher an Bord des Kriegsschiffs untergebracht war, steigerte es konstant sein Tempo, und dieser Vorgang dauerte seiner Schätzung nach fast einen vollen Redstone-Tag an. Als die Schwerelosigkeit für kurze Zeit wieder eintrat, vermutete er, dass sie die Hälfte ihres Wegs zurückgelegt hatten.
Man hatte ihn in eine kleine Zelle bugsiert und dort sich selbst überlassen; der Raum enthielt ein Bündel aus ineinander verflochtenen Seilen, deren Enden an zwei weit auseinanderstehenden Stützträgern befestigt waren. Die Konstruktion ähnelte der abstrakten Wiedergabe eines Spinnennetzes, doch nach längerem Überlegen gelangte er zu dem Schluss, dass es sich um eine Hängematte nach Art der Bandati handelte.
Er war nicht einmal eingesperrt, was ihn anfangs ein wenig verwunderte. Sein Quartier besaß keine Tür, aber das bedeutete auch, dass er ständig beobachtet werden konnte. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass er im Moment allein war, verließ er den Raum und inspizierte die dahinter liegende Umgebung.
Doch da er nirgendwohin gehen konnte, zog er sich nach einer Weile in sein Logis zurück.
Und als er seine Kleidung entdeckte, die man in eine Wandnische hineingestopft hatte, verspürte er zum ersten Mal nach langer Zeit wieder einen Anflug von Freude.
Die Sachen stanken nach Schweiß und den vielen schlaflosen Tagen und Nächten in der Piri Reis und davor in der Hyperion. Natürlich roch er jetzt nicht besser, doch nachdem er sich angezogen hatte, fühlt er sich gleich viel lebendiger, viel menschlicher, als zu irgendeinem Zeitpunkt seit seiner Gefangennahme.
Es war schon verblüffend, wie das einfache Tragen von Kleidung seine Moral hob. Er kam sich richtig stark vor.
Ich lasse mich nie wieder einsperren, schwor er sich. Bereits
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