Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War

sowohl sie, Dakota, als auch das Wrack taub und stumm würden.
Derweil gab es nur wenig, um sie daran zu hindern, die Station buchstäblich auseinanderzunehmen, bis sie gefunden hatten, wonach sie suchten.
    Dakota wünschte sich, sie könnte Moss sehen. Seine Gegenwart störte den Datenfluss, und in einem der kurzen Momente, in denen zwischen ihnen ein Kontakt bestand, hatte sie den schon abartigen Hass gespürt, der sein krankes Hirn beherrschte. Es war wie das gequälte Heulen eines in einer Falle steckenden Tieres gewesen, das vor Hunger und Schmerzen verrückt geworden ist.
    Doch schon sehr bald bekam Dakota einen Grund, darüber nachzudenken, wie nahe daran sie gewesen war, ihn zu unterschätzen.
    Zuerst fing der Boden unter ihren Füßen mit einem heftigen Ruck an zu schwanken, als sei sie mitten in ein Erdbeben geraten. Aber sie stand auf der Innenwand einer gigantischen Röhre, in der Druckausgleich herrschte, und nicht auf der Oberflächenkruste eines Planeten.
    Der gesamte Ring zitterte wieder, dieses Mal sogar noch viel stärker.
    Dakota verlor das Gleichgewicht, strampelte mit den Beinen und schrie vor Schreck. Ihr Iso-Anzug aktivierte sich einen Sekundenbruchteil, bevor sie gegen eine Wand geschleudert wurde. Ein dumpfes Knirschen ertönte, und auf der stumpfgrauen Oberfläche der Wand bildeten sich sternförmig haarfeine Risse.
    Es folgte ein schrilles Kreischen, als würde Gott mit seinen Fingernägeln über eine planetengroße Schiefertafel kratzen, das Jaulen einer gewaltigen Struktur, deren Belastbarkeitsgrenze überschritten wird. Ihre Implantate meldeten, dass der Ring – unabhängig vom Rest der Station – einem jähen und gewaltsamen Bremsmanöver unterlag.
    Der kreischende Ton schraubte sich in die Höhe und Staub
wirbelte hoch, als überall im Ringsegment Gebäude einstürzten. Durch die Staubschleier sah sie, wie ein Turm in der Nähe zerbarst, die Trümmer zu einer Seite wegrutschten und in der nachlassenden Schwerkraft mit traumhafter Langsamkeit nach unten taumelten. Sie selbst wurde gegen die Wand einer Stahlstruktur gepresst, während ein Hagel aus Schotter auf sie herniederrauschte. Sie wusste nicht, wie lange ihr Iso-Anzug die Überlastung noch aushalten würde, aber sie befürchtete, er könnte sich früher abschalten, als ihr lieb war.
    Neue Daten strömten in ihren Geist, und sie erfuhr, dass Moss ein Notbremssystem aktiviert hatte, dessen Existenz ihr bis zu diesem Zeitpunkt verborgen geblieben war. Mächtige Bremsraketen zündeten an der Außenseite des Rings und brachten ihn in Relation zur Nabe zum Stillstand.
    Sie spähte zu der Speiche zurück, aus der sie gekommen war, und fragte sich, was hätte geschehen können, wenn sie nur ein bisschen später eingetroffen wären. Der Speichenschaft selbst hatte sich aus seiner oberen Verankerung gelöst und sackte nun nach unten, zum Glück jedoch nicht in ihre Richtung.
    Ein Bauwerk in Dakotas Nähe verlor seinen Kampf mit den Gesetzen der Physik und stürzte zusammen. Sie sprang gerade noch rechtzeitig zur Seite, ehe eine Lawine aus Trümmerstücken dort landete, wo sie vor kurzem gekauert hatte. Dakota wurde gegen ein eiförmiges Gebäude auf Stelzen katapultiert, aber mittlerweile hatte sich die Schwerkraft noch weiter verringert. Sie fing sich ab, indem sie sich beim Aufprall an die ineinander verdrallten Überreste der Stahlverstärkungen klammerte, ihren Körper in dem glatten Iso-Anzug wie eine Feder anspannte und sich näher an die Struktur heranzog.
    Sie spähte nach oben und sah, wie sich die Decke des Ringsegments verzog und durchbog, als bestünde sie aus Pappe. Dann entschloss sie sich, die gekrümmten Metallstangen loszulassen und ohne Halt zu schweben.

    Der gesamte Ring befand sich nun im freien Fall.
    Sie tauchte in den chaotischen Datenfluss des Wracks ein, als sie versuchte zu verstehen, was gerade passiert war. Die drei Sektionen des Rings hatten sich tatsächlich voneinander abgetrennt, und nun driftete jedes Teil in eine andere Richtung, sich von der Station entfernend, mit der sie noch bis vor kurzem verbunden gewesen waren. Anscheinend hatten die Erbauer der Station dieses Konstruktionsmerkmal bewusst eingeplant, für den Fall einer Invasion durch eine mit Unterlichtgeschwindigkeit eintreffende Flotte von den Schummrigen Himmeln. Und Moss hatte einen Weg gefunden, um die Notabtrennung einzuleiten. Als Folge davon trieb das Segment mit Dakota und dem Wrack in seinem Inneren geradewegs auf das in der Nähe