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Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War

Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War

Titel: Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Gibson
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Night’s-End-System.
    »Leider sind wir immer noch hier, mein guter Erinnerung«, eröffnete ihm Wind, der durch Blätter Seufzt, der Leitende Hofphysikus und einer der wichtigsten Ratgeber der Königin. »Und vermutlich werden wir noch ein paar weitere Rotationen Ortszeit hierbleiben.«
    Seufzender Wind trug formelle Kleidung; die Spitzen seiner Flügel waren mit einem hauchdünnen Filigran geschmückt, wie es augenblicklich an vielen Bandati-Höfen groß in Mode war. Von dem Filigran hingen halb durchsichtige Bänder herab, an deren Länge man entnehmen konnte, welchen tatsächlichen oder aber auch nur eingebildeten Rang bei Hofe ihr Träger bekleidete. Von seinem Hochsitz unter der Decke blickte der Physikus auf ihn herab. Das längste Band reichte bis auf den Boden, und jedes Mal, wenn er die Flügel bewegte, wellte es sich sachte.
    »Ich verstehe. Danke, Physikus«, erwiderte Erinnerung, während medizinisches Personal um ihn herumwuselte, um die letzten Haltegurte und Monitorgeräte von seinem Körper zu entfernten. »Wie lange muss ich mich noch schonen?«
    »Nicht mehr lange«, beruhigte ihn Seufzender Wind, sich auf den Boden niederlassend. Sein Zwitschern hatte einen schnippischen Unterton. »Sie sind vollkommen gesund. Alle Systeme
funktionieren optimal, wie es so schön heißt. Wie dem auch sei, die Königin hat angeordnet, dass Sie sie zu einer … Privat audienz aufsuchen, sowie Sie das Bewusstsein wiedererlangen.« Der Physikus holte ein kleines Fläschchen mit dem Duft, um den Erinnerung ihn gebeten hatte. »Bitte sehr.«
    Erinnerung nahm das Fläschchen entgegen. Nun glaubte er, den Grund für das abweisende Verhalten des Physikus zu kennen. Normalerweise waren die engsten Ratgeber der Königin – zu denen natürlich auch Seufzender Wind gehörte – bei jeder Einsatzbesprechung zugegen, um ihre Kommentare abzugeben und Vorschläge zu unterbreiten. Doch etwas im Verhalten des Physikus ließ den Verdacht aufkeimen, dass, was auch immer die Königin Erinnerung mitteilen wollte, der absoluten Geheimhaltung unterlag, und nicht einmal ihren vertrauenswürdigsten Höflingen offenbart werden durfte.
    Nun stand Erinnerung zum ersten Mal seit Tagen auf; Wandmonitore zeigten Bilder seiner inneren Organe in Form eines farbenfrohen Kaleidoskops, dessen Konturen verschwammen, wenn er sich bewegte. Ein Techniker betrat den Raum und entfernte die Bandagen von seinen Schwingen. Erinnerung bog sie vorsichtig hin und her, und spürte einen seltsamen Ansturm von Gefühlen, als er sie spreizte. Dann drehte er seinen Kopf, um die Narben der Wunden zu betrachten, die Feuer und Kugeln in das zarte, bunte Gewebe gerissen hatten. Die irisierenden Linien, die das Muster auf den Flügeln bildeten, wiesen fahle Stellen auf, wo die Haut erst kürzlich verheilt war.
    »Gestatten Sie mir vor der Audienz noch ein offenes Wort, Erinnerung?«, fragte der Physikus. »Es ist schon eine geraume Weile her, seit Sie.. das letzte Mal mit der Königin sprachen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Situation am Hof seitdem stark verändert hat.«
    »Das stimmt – aber Sie haben sich verändert. Ich möchte Ihnen eine Frage bezüglich Ihres derzeitigen Namensduftes stellen.
Wenn ich mich recht entsinne, legten Sie ihn sich während Ihres Dienstes als Botschafter im Konsortium zu …«
    »Ganz recht.«
    »Der Duft ist sicherlich exotisch, aber … ich verstehe ihn nicht ganz. Wie genau drücken Sie ihn in Worten aus?«
    Wie ein Duft beschrieben wurde, wenn man ihn auf eine sprachliche Ebene übertrug, erforderte mitunter ein erhebliches künstlerisches Talent. Eine auf Düften basierende Kommunikation gehörte zu den wenigen Charakteristiken der Bandati, die die turbulenten Jahrhunderte der Großen Reformation überdauert hatten, und diese Phase der tiefgreifenden Umwälzungen lag immerhin schon etliche Tausend Jahre in der Vergangenheit.
    »Mein gesprochener Name lautet ›Erinnerung an Vergangene Dinge‹. Finden Sie daran etwas auszusetzen?«
    »Keineswegs«, wiegelte der Physikus ab. »Ich würde sagen, er ist … nun ja, originell.«
    »Danke«, entgegnete Erinnerung ungerührt. »Gibt es sonst noch etwas?«
    Der Physikus starrte ihn eine Weile mit offensichtlichem Verdruss an. Ganz eindeutig suchte er nach irgendeiner Strategie, die ihm zumindest den Schimmer einer Ahnung verschaffte, warum die Königin auf einer Privataudienz mit Erinnerung beharrte. Der hätte ihn aufklären können – sofern er gewollt hätte -, dass

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