Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War
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»Ganz recht, mein lieber Erinnerung. Die Königin vom Immerwährenden Licht hat Kuriere in ungeheuer weit entfernte Regionen der Galaxis eingeschleust, die für unsere Spezies normalerweise gesperrt sind.«
»Und das ist gelungen, ohne dass die Shoal etwas davon bemerkten?«
»Soweit wir wissen, ja, obwohl wir vermuten, dass zumindest einer ihrer Abgesandten unterwegs verschwunden ist. Es steht zweifelsfrei fest, dass meine Schwester dieses Mal etwas Einzigartiges als Tauschobjekt anzubieten hat. Etwas, das meiner Meinung nach innerhalb dieses Systems versteckt gehalten wird.«
Erinnerungs Lustgefühle flauten ab und machten einer überwältigenden Neugier Platz. »Etwas wird hier versteckt? Was könnte es sein?«
Die Königin nahm sich ein wenig Zeit mit ihrer Antwort. »Bevor Sie abreisen, weihe ich Sie in die Details ein. Sie erhalten von mir einen neuen Auftrag, Erinnerung. Diese Mission ist von äußerster
Dringlichkeit und erfordert, dass Sie unverzüglich nach Ironbloom zurückkehren.«
»Ich fürchte, mit dem Frieden zwischen Ihnen und Ihrer Schwester ist es vorbei.«
»Sie haben Recht, Erinnerung. Jetzt steht zu viel auf dem Spiel, um auf die verwandtschaftlichen Bande zweier Schwesterhives Rücksicht zu nehmen. Eine Information von entscheidender Bedeutung betrifft zwei Menschen, die gegenwärtig in der Stadt Darkwater gefangen gehalten werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind sie eng in diese Angelegenheit verstrickt, und deshalb wird sich Ihre nächste Mission hauptsächlich auf die beiden konzentrieren.«
Der gigantische, fleischige Arm reckte sich wieder vor, und als die Königin Erinnerungs Flügel streichelte, erschauerte er vor Wonne. »Wir werden Sie umwandeln müssen«, murmelte sie. »Die Angehörigen vom Immerwährenden Licht kennen Ihren Duft zu gut. Sie benötigen eine neue Identität.«
»Ich habe einen frischen Duft und einen anderen Namen parat«, erwiderte Erinnerung beflissen und zückte das Fläschchen, das der Physikus ihm überlassen hatte. Schnell öffnete er die Phiole und hielt sie seiner Königin entgegen.
Die Königin legte ihren wuchtigen Kopf schräg und fasste ihren Gefolgsmann ins Auge. »Lassen Sie mich raten – ihr nächstes Alias ist wieder ein menschlicher Name?«
»Ich weiß, dass Sie das nicht billigen, meine Königin, aber ich kann meine Vorliebe für einige ihrer Künste nun mal nicht verhehlen.«
»Trotzdem finde ich ihre Düfte schrecklich fade und nichtssagend – obschon sie in mancherlei Hinsicht recht ungewöhnlich sind«, murmelte sie, während sie die offene Phiole nachsichtig betrachtete.
»Exakt. Düfte spielen in der Kommunikation und dem Mitteilungsvermögen der Menschen kaum eine Rolle. Das bedeutet,
dass sie andere Ausdrucksformen finden müssen, um ihre sensorischen Defizite auszugleichen, und meiner Erfahrung nach tun sie das häufig durch ihre Künste.«
»Manchmal fürchte ich, ich habe Sie zu sehr vermenschlicht«, erwiderte die Königin und rückte näher an den Rand der Plattform heran – und somit näher an Erinnerung.
»Das mag schon sein, meine Königin«, entgegnete Erinnerung und bekam glasige Augen.
Es stimmte, dass die Aufmerksamkeiten, die seine Königin ihm bei verschiedenen Gelegenheiten zukommen ließ, ihn immerhin so weit von seiner eigenen Spezies entfernt hatten, dass andere Bandati ihm nun fremd vorkamen. Und obwohl Honigtau einem rivalisierenden Hive angehörte, fühlte Erinnerung sich auf eine seltsame Weise mit ihm verwandt. Denn sie beide waren von ihren jeweiligen Königinnen umgeformt worden, um leichter mit anderen Spezies kommunizieren zu können.
Erinnerung wartete geduldig, während seine Königin den Kopf neigte und mit ihrer langen Zunge über seine Flügel und den Rücken fuhr. Plötzlich spürte er, wie eine Eiseskälte seinen Körper durchdrang und eine physiologische Umwandlung auf elementarster Ebene auslöste. Binnen kürzester Zeit würde dieser Prozess seinen Duft und sogar seinen Rang im Hive verändern. Nur eine Bandati-Königin war dazu fähig.
»Und wie lautet der gesprochene Name, den Sie sich ausgesucht haben?«, fragte sie mit vor Leidenschaft heiserer Stimme.
»›Tage voller Wein und Rosen‹«, antwortete er.
»Was für ein absonderlicher Name«, flüsterte sie, während langkettige Moleküle, die nach dem Vorbild extrem mutationsfähiger, infektiöser Viren entwickelt worden waren, ihre Wirkung entfalteten und ihn wie durch einen Zauber verwandelten.
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