Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War

gedämpfter Stimme. »Es kommt mir so vor, als passierte das jedes Mal, wenn ich auch nur in die Nähe dieses Rohrs gehe.«
    »Aber dieses Mal nicht, Dakota«, beharrte Corso. »Dieses Mal ist alles anders. Schau mich an. Sehe ich aus, als würde ich gleich das Bewusstsein verlieren?«
    »Scheiße!« Dakota richtete sich auf, stützte den Kopf mit einem Arm ab und starrte den Mann an, der gleichzeitig ihr Freund, ihr Liebhaber und ihr Feind war. Bei einigen Gelegenheiten hatte er ihr das Leben gerettet – und ein paarmal war er bereit gewesen, sie zu töten.
    »Scheiße!«, wiederholte sie und klang dabei noch elender. Doch dann ließ sie sich auf ihre Hände und Knie nieder und kroch die kurze Strecke zum Ambrosiarohr. »Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
    Während sie die Ambrosia gierig in sich hineinsog, glotzte sie Corso mit einem mörderischen Gesichtsausdruck an.
    Sie merkte sofort, dass das Zeug auf einmal anders schmeckte. Süßlicher und irgendwie sandig. Die Welle aus Euphorie, die sie sonst überschwemmte, blieb aus. Sie nahm den Stutzen aus dem Mund und fing krampfhaft an zu husten.
    »Nicht so hastig«, riet Corso, kniete sich neben sie und löste vorsichtig ihre Finger von dem Rohr. »Und nicht zu viel auf einmal, sonst kommt alles wieder hoch. Wie lange hast du gefastet?«
    »Weiß ich nicht genau. Ein paar Tage vielleicht.«
    »Willst du dich etwa umbringen?«
    »Ich fühle mich jetzt schon tot, eingesperrt in diesem Loch!« Sie blicktete zu Corso hinauf.
    Er schaute besorgt drein. »Ich war auch am Verzweifeln«, gestand er und wandte den Blick von ihr ab.

    »Corso, woher wusstest du …?«
    »Komm, trink noch ein bisschen mehr«, schnitt er ihr das Wort ab.
     
    Eine geraume Zeit später am selben Tag schaute sie zu ihm hinüber und sah ihn, von Sternen eingerahmt, in der Türöffnung stehen. Sie beobachtete ihn eine Weile und merkte, dass sie sich bereits ein wenig erholt hatte; es ging ihr so gut wie seit Tagen nicht mehr. Sogar die Migräneattacken verschwanden, und trotz der Ambrosia war ihr Denkvermögen nicht beeinträchtigt.
    Eine Stimme, von der sie geglaubt hatte, sie würde sie nie wieder hören, meldete sich in ihrem Kopf.
    
    Wie kommt das?
    
    Ist gut, Piri. Ich hab schon kapiert. Endlich mal eine positive Nachricht.
    
    Wir unterhalten uns weiter, wenn du wieder zurück bist. Aus und Ende.
    Es war ihr wie eine Erlösung vorgekommen, als die Piri Reis ihr Signal erfolgreich Huckepack über das viel esoterischere Kommunikationssystem des Sternenschiffwracks an Dakota weitergeleitet
hatte. Einige Male während des letzten Tages musste sie all ihre Willenskraft aufbieten, um nicht triumphierend die Faust in die Luft zu recken, denn es wäre ihr schwergefallen, Corso ihr überschwängliches Benehmen zu erklären.
    Die Anlage, in der sowohl die Piri als auch das Wrack untergebracht waren, umkreiste einen Mond, der in der Sprache der Bandati »Blackflower« hieß. Und dieser Mond drehte sich um Dusk, dem nächsten der beiden Gasriesen des inneren Systems, die von den Bandati »die Schönen Schwestern« genannt wurden. Der weiter entfernte Gasriese trug den Namen Dawn. Gegenwärtig waren sich Dusk und Ironbloom auf ihren Umlaufbahnen relativ nahe gekommen, obwohl Ironblooms höhere Bahngeschwindigkeit den Abstand schon bald wieder vergrößern würde.
    Leider war Dakotas Fähigkeit, sich mit den beiden Schiffen zu verständigen, begrenzt. Vorläufig durfte eine Kommunikation nur stattfinden, wenn sich zwischen ihnen keine stofflichen Hindernisse befanden. Zwar interagierten die Schiffe mittels einer raffinierten Tachyonen-Technik, und die ausgesandten Signale konnten einen Planeten problemlos durchlaufen, aber der Kontakt mit gewöhnlicher Materie erzeugte genügend Tscherenkow-Mahler-Strahlung, um die Überwachungssysteme der Bandati zu alarmieren,