Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War

Mensch jemals genießen durfte, Dakota. Du bekamst Einblicke in eine Zivilisation, die so alt ist wie die Sterne, und es wäre falsch, das alles nur für dich zu behalten. Ich finde, es ist deine Pflicht, deine Erlebnisse mit anderen zu teilen. Du verhältst dich anmaßend und arrogant, wenn du dir einbildest, dir allein stünde dieses Recht auf Wissen zu. Es ist … Hybris! Die gesamte Menschheit sollte sich ein Urteil über das bilden können, was du erfahren hast. Und was die Bandati angeht … nun, ich weiß auch nicht, inwieweit wir ihnen vertrauen können, aber ich bin bereit, es auf einen Versuch ankommen zu lassen – selbst dann, wenn du dich dagegen sperrst.«
    Einen Moment lang schämte sie sich, weil sie so wütend auf ihn war. Weder sie noch Corso waren schuld an den Ereignissen, die sie in diese verzweifelte Lage gebracht hatten.
    Sie schloss die Augen und lief wieder einmal davon, öffnete ihren Geist für die gewaltige Präsenz, die sich plötzlich hinter dem hell strahlenden Rand eines Mondes hervorschob, der fast einhundertundvierzig Millionen Kilometer entfernt war von ihrem eigenen, geschundenen Körper.
    Das Wrack wartete immer noch auf sie, so wie es ewig auf seinen Navigator warten würde.

Kapitel Sechs
    Die Schönen Schwestern bewegten sich gelassen auf ihren jeweiligen Umlaufbahnen. Beide Gasriesen glichen sich im Großen und Ganzen bezüglich ihrer Durchmesser, der atmosphärischen Zusammensetzung und der Albedo, doch waren sie durch mehrere Hundert Millionen Kilometer leeren Raum voneinander getrennt. Dakota, die immer noch auf Ironbloom in einem hohen Turm gefangen gehalten wurde, wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was genau es mit der Bezeichnung »die Schönen Schwestern« auf sich hatte. Indem die Bandati die beiden Welten durch einen gemeinsamen Namen miteinander verknüpften, hielten sie das Gedenken an eine Schlacht aufrecht, die vor Tausenden von Jahren in genau diesem System zwischen den Hives Schummrige Himmel und Immerwährendes Licht stattgefunden hatte.
    Wie es in den meisten kolonisierten Systemen, die ihren Schwerpunkt auf Industrie legten, üblich war, tauchten Robotbagger routinemäßig in die obere Atmosphäre der beiden Gasriesen ein, um Helium Drei für den Gebrauch in auf Kernfusion basierenden Energiesystemen zu gewinnen. Sobald diese mit minimaler Intelligenz ausgerüsteten Maschinen ihre Vorratskammern gefüllt hatten, düsten sie wieder aus einem tiefen Gravitationstrichter heraus und steuerten eine der vielen hundert ähnlich automatisierten Raffinerien an, die die zahlreichen Monde der Schönen Schwestern umkreisten.
    Doch eine dieser Orbitalraffinerien war nicht das, was sie zu sein schien.
    Sie schwebte hoch über Blackflowers pockennarbiger Landschaft, die immer noch von den Spuren eines Gefechtes verwüstet
war, das die Streitkräfte der beiden Hives vor langer Zeit an diesem Ort ausgetragen hatten. Zwischen der Raffinerie und Ironbloom wurden häufig chiffrierte Nachrichten ausgetauscht, und der Verschlüsselungskode war derselbe, den man auf der höchsten Ebene am königlichen Hof vom Immerwährenden Licht benutzte. Außerdem war die Raffinerie wesentlich größer als sämtliche anderen dieser Anlagen und enthielt eine Vielzahl von Verteidigungswaffen, die in keinem Verhältnis zu ihrem Wert standen – hätte es sich tatsächlich um eine ganz normale Raffinerie gehandelt. Und die neu angebaute Sektion war so konstruiert, dass sie durch Rotation ein eigenes Gravitationsfeld erzeugte.
    Das hieß, dass dieser Bereich bewohnt war.
     
    Hugh Moss schickte einen seiner jüngsten Perlenzombies los, um die Stellvertreterin der Königin vom Immerwährenden Licht zu begrüßen, nachdem der ankommende Kreuzer eingedockt hatte. Während er wartete, stand er an einem Geländer, das eine tiefe, ovale Grube einfasste, die bei denen, die im Parfümgarten lebten – und meistens starben – nur »die Todesmanege« hieß.
    Die Luft war schwer und mit Feuchtigkeit übersättigt; die rostzerfressenen Wände der umgebauten Raffinerie versteckten sich nun größtenteils hinter einem üppigen, grünen Bewuchs, zwischen dem Insekten und kleine, biotechnisch manipulierte geflügelte Kreaturen dauernd hin und her flitzten. Wasser tropfte von der unebenen Decke, und es herrschte eine graugrüne Beleuchtung. Dieser Lichteffekt, zusammen mit der allgegenwärtigen Nässe, erzeugten bei den seltenen Besuchern, die in den Parfümgarten gelangten, die Illusion, sie befänden sich