Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War
ihn einbrüllte. Corso verstand nicht, was er ihm mitzuteilen versuchte, doch Sal deutete unentwegt mit der Hand nach oben. Was immer es war, worauf Sal zeigte, wollte er gar nicht sehen, denn mit der zwanghaften Logik eines Träumenden wusste er, dass es das Schlimmste war, das er sich überhaupt nur vorstellen konnte.
Aber am Ende blickte er doch hinauf, weil er es tun musste, und
weil es sich um einen Traum handelte. Und über ihren Köpfen war die Sonne dabei, sich in Stücke zu reißen, in einem Akt kosmischer Selbstaufopferung.
Gewaltige Bögen aus brennendem Gas schossen über den Himmel, ehe sie wie glühende Sensen auf Corsos Heimatwelt niedersausten.
In Schweiß gebadet, mit wild pochendem Herzen, wachte er auf, doch er sah nur die Schatten in seiner Zelle, und eingerahmt von der Türöffnung die beleuchteten Türme draußen.
Die nächsten Tage dehnten sich endlos in die Länge.
Corso hätte nicht sagen können, wann genau während dieser Phase er anfing, Selbstgespräche zu führen. Anfangs tat er es aus Gründen der Vernunft; er ging davon aus, dass man in seiner Zelle Mikrofone versteckt hatte, und irgendwer ihn belauschte. Ihn einfach hier abzuladen ergab keinen Sinn, deshalb redete er, als wende er sich an unsichtbare Zuhörer.
Außerdem versuchte er, die Aufmerksamkeit vorbeifliegender Bandati zu erregen, von denen die meisten jedoch nur als winzige Punkte in der Ferne zu sehen waren. Seine Bemühungen in dieser Hinsicht blieben genauso erfolglos wie die von Dakota, deshalb ließ er seine Wut an den Frachtzügen aus, die zwischen den Türmen hindurchgondelten. Er rief um Hilfe, und als das nichts nützte, erging er sich in lautstarken Flüchen und Verwünschungen, bis er sich die Kehle wundgeschrien hatte und heiser war. Danach kauerte er schweigend neben der Türöffnung, während die Stunden dahinkrochen. Ständig kreisten seine Gedanken um den Ambrosiastutzen in seiner Nähe, doch er harrte so lange aus, bis Hunger und Durst obsiegten, ehe er sich in den dunklen, rückwärtigen Teil seiner Zelle schleppte, um seinen Magen zu füllen.
Für die nächsten Stunden glitt er dann in einen Dämmerzustand, eine Art Halbtrance, hinüber; es genügte ihm, zu beobachten,
wie die Sonne langsam über den Himmel wanderte, wobei er zwischendurch immer wieder einnickte.
Corsos Aussehen veränderte sich, er magerte ab, starrte mit wildem Blick um sich, und sein Hocken auf dem Sims vor der Tür, wo er die stumm in der Ferne aufragenden Türme angeiferte, steigerte sich zu einer Besessenheit. Er schrie seine Bereitschaft zur Kooperation hinaus, versprach eine Belohnung durch die Freistaatler, wenn man ihn nur laufen ließ. Sein Stimmvolumen reichte von einem zornigen Gebrüll bis zu einem kaum wahrnehmbaren Gemurmel; doch es schien, als würde er nie eine Antwort bekommen.
In seinen lichteren Momenten beschlich ihn das Gefühl, er würde sich in zwei unterschiedliche Persönlichkeiten aufspalten; ein Individuum heulte den Himmel an, bis seine Stimme versagte, und der andere Teil von ihm, der noch rational denken konnte, spürte immer deutlicher, dass er kurz davor stand, auch noch den letzten dürftigen Bezug zur Wirklichkeit zu verlieren.
Die wachsende Überzeugung, dass er den Rest seines Lebens isoliert und nackt in dieser Turmzelle verbringen würde, trug nicht dazu bei, seine Ängste zu mindern.
Eines Abends wurde er jählings aus dem Schlummer gerissen, und das Erste, was ihm auffiel, war der düstere, rote Lichtschein, der flackernd die Türöffnung ausfüllte. Gleich darauf hörte er den gedämpften Knall einer Explosion, der kurz zwischen den Türmen widerhallte. Als das Licht matter wurde, schlich Corso an die Tür und sah einen völlig neuen Typ von Luftschiff, das einen Schleppzug unter Beschuss nahm, der sich durch die Schluchten der Stadt schlängelte.
Im Gegensatz zu den Schleppzügen, die er bis jetzt von seinem luftigen Gefängnis aus beobachtet hatte, schien dieses neu eingetroffene Schiff eine Crew zu haben, denn er konnte gerade noch winzige geflügelte Gestalten erkennen, die sich in der darunterhängenden
Gondel bewegten. Vor seinen Augen verwandelten sich einige der Frachtluftschiffe in brennende Fetzen, die in den tief drunten verlaufenden Fluss hinabtrudelten.
Während er staunend zusah, bog ein zweites, ähnlich konstruiertes Luftschiff um die Ecke seines eigenen Turms; am Rand der Gondel blitzten unaufhörlich Lichter in einem ganz bestimmten Muster. Dieses neu
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