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Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War

Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War

Titel: Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Gibson
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auf ihrem Schädel und trug ihr eine orgiastische Fülle von seltsamen Düften zu. Sie bekam einen Niesreiz und musste krampfhaft husten, dann bemühte sie sich, durch wiederholtes Räuspern ihren Hals freizukriegen. Sie hob eine zittrige Hand, fasste an ihren Kopf, und in diesem Augenblick fiel ihr wieder ein, dass ihr Haar erst kürzlich entfernt worden war.
    Blinzelnd setzte sie sich aufrecht hin und sah sich in der unvertrauten Umgebung um. Wände, Fußboden und Decke trugen einen Belag aus grauem Metall, in das merkwürdige Schriftzeichen eingeritzt waren; feine, enge Spiralen in Zinnoberrot und Jadegrün verliefen in parallelen Reihen oder verschlangen sich zu komplizierten, vor den Augen verschwimmenden Mustern.
    Licht gelangte nur durch eine Tür in den Raum; als Dakota nach draußen spähte, sah sie Wolken über einen blaugrünen Himmel jagen, der allmählich in der Abenddämmerung verblasste. Sonnenlicht, das nicht ganz die richtige Farbe hatte, fiel auf
die bloße Haut eines ihrer Beine, und plötzlich empfand sie ein Gefühl von Wärme.
    Die Luft roch so eigenartig, war mit Aromen gesättigt, die ihr völlig unbekannt waren; sie erschnupperte die Düfte einer exotischen, weit abgelegenen Welt, auf der sie noch nie zuvor gewesen war.
    Das Letzte, woran sie sich erinnerte …
    Alles, was ihr in den Sinn kam, waren Momente voll entsetzlicher, jedes andere Gefühl überlagernder Schmerzen, die abgelöst wurden von wesentlich längeren Perioden, in denen sie tief und traumlos schlief; diese schmerzfreien Phasen hätten eine einzige Nacht oder tausend Jahre lang dauern können.
    Und davor hatte sie sich auf ihrem Schiff, der Piri Reis, befunden. Und sie waren …
    Sie schüttelte den Kopf. Ihr war zumute, als sei ihr Schädel mit dickem, zähflüssigem Schlamm angefüllt, der jedes Nachdenken verhinderte und den Geist unglaublich schwerfällig machte. Am liebsten hätte sie einfach wieder die Augen geschlossen und aufgehört, in ihrem Gedächtnis zu forschen.
    Als Nächstes untersuchte sie ihren Körper und stellte fest, dass ihre Hüften und der Oberkörper mit Blutergüssen übersät waren. Die Haut an Brüsten, Bauch und Beinen war gelblich und wirkte irgendwie fleckig. Zum Schluss peilte sie zwischen ihre Schenkel und sah, dass das Dreieck aus Schamhaaren gleichfalls einem zarten Flaum gewichen war.
    Mit einem Finger zog sie ihre Augenbrauen nach. Sie fühlten sich … dünner an. Als seien erst kürzlich dort neue Haare gesprossen. Trotz der warmen Luft, die durch die Türöffnung in den Raum strömte, fröstelte sie, während ein paar Erinnerungsfetzen langsam und zögerlich in ihr Gedächtnis zurückkrochen.
    Sie hieß Dakota Merrick. Sie war ein Maschinenkopf – in ihrem Schädel steckte eine seltene und illegale Technologie, die es ihr erlaubte, auf einer Ebene, die bereits an Instinkt grenzte, sowohl
mit Maschinen als auch mit ähnlich ausgerüsteten Menschen wie sie zu kommunizieren. Sie war auf einer Welt namens Bellhaven geboren worden. Sie hatte …
    Sie hatte offenbar etwas zu sich genommen – zwangsweise -, das ihren Verstand eintrübte und sie am Nachdenken hinderte.
    Auf wackeligen Beinen stemmte sie sich hoch und wäre beinahe wieder umgekippt.
    Mit tauben Fingern befühlte sie ihren Kopf, und dann entrang sich ihrem Mund ein Stöhnen; blitzartig erinnerte sie sich an ihre und Corsos wahnwitzige Flucht …
    Lucas Corso.
    Wer war Lucas Corso?
    Der Name kam ihr schrecklich vertraut vor.
    Vorsichtig tastete sie sich bis zur Tür vor, linste hindurch und stellte fest, dass es sich lediglich um einen vertikalen Schlitz in der Wand handelte. Sie kniff leicht die Augen zusammen, als sie in das ersterbende Licht spähte, und erblickte vor dem Hintergrund der untergehenden Sonne die Spitzen von Gebäuden, deren Umrisse im Dunst der Ferne verschwammen.
    Hinter der Türöffnung befand sich nichts als Luft. Der Metallboden, auf dem Dakota stand, kragte vielleicht einen halben Meter ins Freie vor und sah aus wie eine Laufplanke für Lebensmüde, die sich in die Tiefe stürzen wollten.
    Dakota war so gut wie schwindelfrei, sie litt nicht übermäßig an Höhenangst, doch instinktiv scheute sie davor zurück, sich zu sehr dem lotrechten Abgrund zu nähern, der hinter der Lücke in der Wand lag. Sie ließ sich auf alle viere auf den harten, ihre Knie malträtierenden Metall nieder und kroch ein Stück weit aus der Öffnung heraus, um sich zu vergewissern, wie hoch ihr luftiger Aufenthaltsort gelegen war.

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