Lieb mich schoener Fremder
ihre Bedrücktheit gespürt, als sie ihn verließ. Und ihren Ekel, als sie die fünfzig Dollar in ihre Rocktasche stopfte. Sie brauchte von seinem feinen Gespür für ihre Gefühle wirklich nicht so überrascht zu sein. Schließlich hatte er ihr unzählige Male bewiesen, wie leicht er sie durchschaute.
Um zu verhindern, dass er irgendwelche Signale auffing, zwang sie eine arktische Kälte in ihre Stimme. "Worauf willst du eigentlich hinaus?"
"Du arbeitest noch nicht lange in diesem Gewerbe, stimmt's?"
"Ist das so wichtig?"
Er kam noch näher auf sie zu, Schritt für Schritt, und sie wich zurück, bis sie gegen den Schreibtisch stieß. "War ich dein erster Freier?"
Es war absurd, dass sie sich so verletzt fühlte. Natürlich betrachtete er sich als ihr Freier, und was für sie ein unvergessliches Liebeserlebnis war, war für ihn ein billiges kleines Abenteuer gewesen. "Bin ich dir wie eine Anfängerin vorgekommen? Warst du mit mir nicht zufrieden? Willst du dein Geld zurückhaben?"
Er sah sie eindringlich an, als ob er bis in ihre Seele blicken könnte. "Du weißt verdammt gut, dass ich zufrieden war", murmelte er schließlich, "und ich habe noch nie gehört, dass Prostituierte Rückerstattungen anbieten. Ich war dein erster Kunde, stimmt's? Und ich habe dich gedrängt, es zu tun."
Plötzlich begriff sie, was ihn hergetrieben hatte - Selbstvorwürfe und Besorgnis. Sie hätte wissen müssen, dass er sich über eine Frau, mit der er geschlafen hatte, seine Gedanken machte - selbst wenn diese Frau eine Prostituierte war.
"Glaubst du ernsthaft, du hättest mich auf Abwege geführt?" spottete sie.
"Ich glaube, dass ich dich zum entscheidenden Schritt ermutigt habe. Dir sozusagen die Tür geöffnet habe."
"Stimmt, du hast die Tür geöffnet - die Tür im Treppenhaus." Sie lachte auf. "Du kannst ganz beruhigt sein, du warst nicht mein erster Freier. Tricks gehören zu unserem Handwerk."
Sie hätte gern ein paar drastische Details eingeworfen, um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen, aber ihr fiel nichts ein. Ihre diesbezüglichen Informationen waren einfach zu dürftig. "Was hat dich auf den Gedanken gebracht, dass du mein erster Freier gewesen bist?"
"Dein Zögern. Deine Angst. Die Tränen, die du zu verbergen versucht hast." Sein Gesicht kam näher, seine Stimme wurde weicher, sein Blick intimer. "Deine leidenschaftlichen Küsse.
Die Tatsache, dass du den Höhepunkt nicht vorgetäuscht hast."
Ihre Haut glühte. Mit einem sinnlichen Blick und ein paar rau gemurmelten Worten hatte er es fertig gebracht, sie zu erregen. Jennifer riss den Blick von ihm los.
"Die plötzliche Röte in deinem Gesicht." Er strich leicht über ihre Wange. "Und deine Honorarforderung."
Sie blickte wieder zu ihm. Hatte sie ihm zu viel abgeknöpft? "Du meinst, dass fünfzig Dollar nicht fair waren?"
In seinen Augen erschien ein nachsichtiger Ausdruck. "Du könntest eine ganze Menge mehr verlangen."
Auch das noch! "Das weiß ich", behauptete sie, "ich hab's für dich billiger gemacht, weil ich so früh weg musste."
"Du meinst, du hättest mehr verlangt, wenn du die ganze Nacht geblieben wärst?"
"Ja. Das Doppelte."
"Also hundert Dollar. Für die ganze Nacht."
Sein trockener Ton machte sie stutzig. Vielleicht hätte sie einen höheren Preis nennen sollen. Bevor ihr eine Begründung für eine nachträgliche Korrektur einfiel, sagte er: "Eine Frau wie du könnte zwanzig Mal mehr für eine ganze Nacht verlangen."
Sie glaubte, sie hörte nicht richtig. Zweitausend für eine Nacht? "Vielleicht gilt das für Kalifornien, aber hier in Sunrise ..."
"Wenn du möchtest, kann ich mich über die Tarife in Sunrise informieren."
Bloß das nicht! Womöglich würde er bei seinen Recherchen ihre Lügenstory aufdecken. "Es ist mir gleichgültig, was die anderen verlangen. Ich mache mein Business so, wie es mir passt."
"Warum bist du überhaupt in diesem Business?"
"Das geht dich überhaupt nichts an!" fauchte sie. "Verschwinde und lass mich mein Leben leben."
"Genau dabei möchte ich dir helfen - dein Leben zu leben. Ein glücklicheres Leben als dieses."
Seine Besorgnis rührte sie zutiefst. Ein glücklicheres Leben, wie sehr sie sich das wünschte!
"Lass mich dir helfen, Jen." Er legte ihr die Hände auf die Schultern. "Ich weiß, du bist nicht glücklich. Ich sehe es dir an. Ich weiß auch, dass du neu in diesem Business bist. Ich war dein erster Kunde und hoffentlich auch dein letzter. Bitte steig aus diesem Geschäft aus, solange du es noch
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