Liebe 2000 - erotic science fiction
Worte mit dem Befehl, etwas Beliebiges zu tun. Wir senden ihnen nur den Impuls für eine Handlung. Und sie wissen nicht, daß der Impuls nicht von ihnen kommt.«
Estella war sprachlos.
»Versuche es«, drängte Mirene. »Dieser allein stehende Mann mit dem Rücken zu uns, der den anderen zusieht.«
Estella blickte ungläubig zu dem Mann und stellte sich vor, er würde sich umdrehen. Er tat es!
»Man darf sie nicht alberne Dinge machen lassen«, warnte Mirene, »sie könnten sonst Verdacht schöpfen. Laß ihn eine bestimmte Anzahl von Schritten nach rechts machen.«
Estella stellte sich vor, der Mann würde zehn Schritte entlang dem Rand des Spielfeldes zu einem bestimmten Punkt machen. Dieses Mal war sie weniger überrascht, als er ihren Gedanken gehorchte.
Mirene stieß Estella heimlich an. »Nun scheint das Halsband nicht mehr so unerträglich zu sein, nicht wahr?«
Estella erkannte plötzlich, daß es stimmte, was Mirene sagte. In Gedanken daran mußte sie innerlich lachen, sie konnte sich sogar vorstellen, daß sie das Halsband mit einem gewissen Gefühl heimlichen Triumphes trug.
Sie dachte einen Augenblick an Varn. Nun würden die Dinge anders liegen. Er konnte sich einbilden, sie herumzukommandieren. Und vielleicht tat er es auch, aber nicht immer. Dann und wann würde ihr Wille die Oberhand haben, ohne daß er es wußte.
»Natürlich«, bemerkte Mirene, »müssen gewisse Regeln eingehalten werden. Doch darüber wird dich die Oberaufseherin unterrichten.«
Estellas Gedanken gingen wieder zu Varn. Er und die anderen Männer mochten ihre undurchsichtige Philosophie, ihre Lebensweisheit und unbegreifliche Technologie haben. Es war eine Welt, die den Frauen immer verschlossen bleiben würde, ebenso wie ein verstandloses Tier nicht in die frühere menschliche Gesellschaft aufgenommen werden konnte. Aber daneben gab es Dinge, welche die Frauen besser verstanden als die Männer.
Sie überlegte, was Varn nun wohl machte. Dann beschwor sie vorsichtig die Vorstellung herauf, er solle in einer halben Stunde ins Dormitorium kommen und sie abholen. Er würde wissen, wo sie zu finden war.
Varn sah von seiner Arbeit auf, plötzlich angesprochen. Sie hatte schnell begriffen. Sie rief ihn bereits. Mit einer gewissen Belustigung hörte er auf den Befehl. Dann überflog er mit einem Blick den Arbeitsplan, den er sich für den Rest des Tages vorgenommen hatte. Nichts war so wichtig, daß es nicht aufgeschoben werden konnte. Wäre es so gewesen, dann hätte er mühelos ihrem Verstand einen Gegenimpuls eingeben können, der sie veranlaßte, den »Befehl« zu streichen.
Er setzte zwei Antriebsaggregate in freie Umlaufbahnen und steuerte sie aus der zweiten subpositiven Eckphase. Schließlich, dachte er, war es ein geringer Preis, den die Männer für die Zufriedenheit der Frauen zahlen mußten.
Und irgendwie mußte er an die alten Zeiten denken, als ein kleines Tier ein primitives, vierrädriges Fahrzeug jagte … und sich wahrscheinlich einbildete, die furchterregende Attacke seines Gebisses wäre der Grund, daß sich das Fahrzeug fortbewegte …
Fritz Leiber
Der letzte Brief
Am ersten Zehntmonat des Jahres 2457 um genau neun Uhr morgens planetarischer Bundeszeit – eine Abweichung von einer Millionstel Sekunde als tolerabel einkalkuliert – geschah es im fünften Untergeschoß der achtundsechzigsten automatischen Poststation in New York, daß der Schwarze Sortierer zehntausend Stück Luxuspost verschlang.
Dieser Frühstücksleckerbissen war der Briefsortiermaschine keineswegs zuträglich. Es war, als hätte man einem riesigen Hund einen ordentlichen Brocken schönen frischen Fleisches mit einer Strychninpille darin zu fressen gegeben. In den Eingeweiden des Schwarzen Sortierers begann es zu rattern und zu rumoren, blau glühender elektrischer Schein umgloste ihn, und er schwankte so heftig, als wollte er sich vom Beton lösen.
Mit letzter Verzweiflung spie er einen einzigen Umschlag über die Schulter zurück, holte tief Luft und blies den Verteilerröhren einen mittelstarken Schneesturm entgegen, der aus neuntausendneunhundertundneunundneunzig Stück zu Konfetti zerkleinerter Luxuspost bestand. Immer noch durcheinander, schluckte er das nächste Zehntausend und machte sich unverzüglich daran, es ebenfalls zu zerstückeln und zu zermalmen. Der Schwarze Sortierer hatte durchgedreht.
Der verschmähte Brief landete beim Roten Untersortierer, der aus der Tiefe seines Schlundes einmal dumpf aufgrollte,
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