Liebe ahoi
mit dem Anrühren des Zuckergusses begann. Das fertige Produkt würde eine Torte in der Optik eines Büstenhalters, Körbchengröße DD, werden, samt hervorquellenden Brüsten und aufgerichteten Nippeln. Die Freundinnen einer frisch geschiedenen Frau hatten sie bestellt. Sie war gerade vierzig geworden und nach Polen geflogen, um sich die Brüste vergrößern zu lassen und ein neues Leben zu beginnen. Es war immer gut, wenn die Torte aussah wie die neuen Brüste und nicht wie die alten – dann brauchte man weniger Zuckerguss.
Nach wenigen Minuten duftete die ganze Küche verführerisch nach Kuchen. Es war Beth’ absoluter Lieblingsduft – besser als der jedes noch so teuren Parfüms. Sie konnte noch immer kaum glauben, dass das Hobby, mit dem sie gut fünfzehn Jahre zuvor begonnen hatte, um sich über die Scheidung von David hinwegzutrösten, in ein erfolgreiches Unternehmen gemündet war. Sie hatte klein angefangen. Mit einer Geburtstagstorte in Form eines Fußballs für den Nachbarsjungen. Danach war eine Tennisplatzbiskuittorte für die Abschiedsparty des Hausmeisters an der Reihe gewesen. Eine Strandszene aus Marzipan für Freunde, die zu fernen Küsten aufbrechen wollten. Und Titten. Jede Menge Titten für alle möglichen Anlässe – von Junggesellinnenabschiedspartys bis zur aktuellen Neue-Brüste-Enthüllungszeremonie.
Beth’ Blick wanderte zur Uhr. Noch zwanzig Minuten. Sie könnte noch kurz unter die Dusche springen. Ihre Freundin Patsy anrufen und ein bisschen quatschen. Oder noch besser: die nächsten Kapitel in dem neuen Jackie-Collins-Bestseller lesen, der auf dem Küchentisch lag. Mist! Das Zuschlagen der Haustür ließ ihr erhofftes Date mit einem großen dunklen, perfekt gebauten milliardenschweren Schiffserben namens Bobby platzen.
»Hi Mum, was geht?«
Manchmal stellte ihre Tochter Fragen, auf die es einfach keine Antwort gab. Sie entschied sich für die nächstliegende. »Alles gut, Süße. Was machst du denn schon zu Hause? Hattest du heute Nachmittag nicht eine Doppelstunde Mathe?«
Eliza ließ ihre ausgebeulte Schultasche in der Diele fallen und kam in die Küche geschlendert. Lange Gliedmaßen, lange, zerzauste blonde Haare. Zu Beth’ Belustigung erforderte es jeden Morgen eine Stunde Arbeit, um diesen natürlich-wilden Look zu kreieren. Ihre Amazonen-Schrägstrich-Surfer-Girl-Tochter schaltete genervt den CD-Player aus und ging dann schnurstracks zum Backofen. »Iih, wie eklig! Ich glaub’s echt nicht, was du für Torten machst. Das ist echt peinlich!«
Beth nickte. »Ich weiß. Als Nächstes jobbe ich wahrscheinlich in einem Striplokal. Also was ist mit Mathe? Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Hab ich ausfallen lassen. Ist so öde, und ich muss unbedingt noch shoppen gehen. Chantelle holt mich gleich ab, dann fahren wir in die Stadt. Dad hat mir am Wochenende seine Kreditkarte gegeben. Er hat gesagt, ich darf zweihundert Pfund ausgeben. Wegen seines Geburtstags.«
Beth versuchte sich ihre Reaktion nicht anmerken zu lassen. Was war das? Enttäuschung? Ärger? Wut? Wie oft hatte sie David gebeten, Eliza nicht so mit Geld zu überhäufen? Es war ein verlorener Kampf. Ihre gemeinsame Tochter hatte ihn mal wieder um ihren kleinen manikürten Finger (Ergebnis der letzten Zuwendung – ein Tag in einem Wellnessstudio in der Stadt) gewickelt. Gott, wie gerne wäre sie auch noch mal sechzehn, und die Welt läge ihr zu den zarten pedikürten Füßen!
Psychologen würden vermutlich behaupten, der Hauptgrund für Davids Extravaganzen in Bezug auf sein jüngstes Kind seien Schuldgefühle. Sie selbst würde natürlich alles für ihre Tochter geben, aber sie kannte auch Elizas Schwächen. Die Kleine war durch und durch verwöhnt. Sie lebte in Luxus. Und sie hatte ein ausgesprochen lässiges Verhältnis zum Geld.
Als Jüngste in der Familie wurde sie von allen verhätschelt. Von David. Von ihrem großen Bruder John. Und ja, Beth musste zugeben, dass auch sie bei ihrer Tochter nicht immer ganz konsequent war. Dazu würde den Psychologen sicher auch etwas einfallen. John war damals zehn gewesen, als Eliza zur Welt gekommen war – und im Nachhinein war Beth klar, dass die Schwangerschaft der letzte Versuch gewesen war, eine Ehe zu retten, die sich auf Talfahrt befand. Kurz nach Elizas erstem Geburtstag hatte die Scheidungsurkunde im Briefkasten gelegen. Beth war mit ihrer Tochter in ein Café gegangen, hatte in ein Stück Karottenkuchen geheult und anschließend in einem der
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