Liebe am Don
…?«
Evtimia, die gute, erschien ebenfalls vor dem Parteihaus mit einem Korb voll Essen. Aber auch sie durfte nicht ins Haus. Der junge Leutnant der Miliz, der den Trupp kommandierte, hatte dafür eine Erklärung: »Ihr Mann bekommt erst zu essen, wenn er gesteht.«
»Gut denn!« schrie Evtimia ihn an. »Soll er verhungern! Soll er es! Aber der Himmel wird euch strafen, euch alle!« Sie setzte sich auf eine Kiste, die der Schuster Kalinew heranbrachte, und begann mit durchdringender Stimme zu rufen.
»Dimitri Grigorjewitsch!« schrie sie zum Haus hin. »Ich bin hier. Evtimia Wladimirowna! Ich will dir dein Essen bringen, aber sie lassen mich nicht hinein! Erst sollst du gestehen. Bleib hart, Dimitri! Verkauf nicht deine Ehre für ein Süppchen! Ich bin stolz auf dich, Dimitri.«
Kolzow hörte es gut, die Stimme Evtimias durchdrang Mauern, wenn es sein mußte. Auch Tumow hob den Kopf und blickte Kolzow kauend an.
»Ein dämliches Weib«, sagte er grinsend. »Sie verrät mir, daß du etwas zu gestehen hast.«
»Sie ist eben nur ein dämliches Weib.« Kolzow hob die Schultern. »Es kann sich nicht jeder so ausdrücken wie die Herren aus Moskau. Evtimia meint, ich soll hart bleiben in der Wahrheit.«
»Wir werden es sehen, Kolzow.«
Tumow aß gemütlich zu Ende, rauchte dann eine Papyrossa und legte die Beine auf den Tisch. In Kolzow brannten Hunger und Durst wie ein Scheiterhaufen. Sein Magen verkrampfte sich, als er den Rauch der Zigarette einatmete, und seine Augäpfel wurden rot, als er Tumow den schönen, kalten Wein trinken sah, in kleinen, bestialisch genüßlichen Zügen, begleitet von einem Schmatzen wie ein Säugling, der an der Flasche hängt. Aber Kolzow stand … breitbeinig, ein in die Dielen gerammter Stamm. Man muß ihn umhacken, das allein ist das richtige, dachte Tumow. Mit Fragen kann man ihn nicht durchlöchern … er muß die ganze Macht der Gewalt spüren.
Zunächst aber – Tumow hatte ja viel Zeit – veranstaltete er ein Spielchen. Er ließ die Männer, die vor dem Haus herumstanden, einzeln zu sich führen und fragte sie immer die gleiche Frage: »Sie wissen, wo sich Jelena Antonowna befindet?« Und die Männer, in herrlicher Eintracht, antworteten stets: »Nein, Genosse.«
Nur der alte Babukin weigerte sich. Mit Gewalt schleifte man ihn ins Haus, während er schrie: »Wenn ich es betrete, dann freiwillig! Aber jetzt will ich nicht! Jetzt nicht! Zu Hilfe, Freunde! Man mißhandelt einen treuen Kommunisten!« Und vor Tumow, der ihn mit einem spöttischen Lächeln musterte, führte er einen Tanz auf, schlug auf die Tischplatte, umarmte Kolzow und küßte ihn, nannte ihn »mein tapferes Söhnchen« und riß ihm dann die Medaillen von der Brust, warf sie Tumow auf den Tisch und schrie: »Da … nehmt sie mit nach Moskau! Für seine Tapferkeit hat er sie bekommen, und ihr behandelt ihn wie ein rotziges Schwein!«
Tumow stand auf, kam um den Schreibtisch herum und preßte den alten Babukin mit ausgestrecktem Arm gegen die Wand. Der Alte brüllte, als ziehe man ihm die Haut ab, und schlug um sich.
»Wo ist Jelena Antonowna?« fragte Tumow kalt.
»In der Hölle!« keuchte Babukin.
»Endlich eine gute Antwort.« Tumow ließ Babukin los und blickte Kolzow an. »In der Hölle – was sagen Sie dazu, Genosse Bürgermeister?«
»Sein Hirn ist Jauche«, knirschte Kolzow und starrte Babukin an, als wolle er ihn fressen.
Tumow stieß die Tür auf, gab Babukin einen Schubs, und der Alte schoß wie katapultiert auf den Flur und in die Arme des Milizsoldaten, der vor dem Dienstzimmer Wache hielt. »Er wird nicht alt werden, der Genosse Major!« schrie Babukin und schwankte aus dem Haus. »Genossen, ich bin kein Prophet … aber jede Katze wird älter werden als er. Einmal wird sich jemand finden, der ihm den Hals 'rumdreht!«
Dann setzte er sich neben Evtimia auf die Kiste, schlug die Beine übereinander und begann, abwechselnd mit Evtimia, die Hauswand hinaufzuschreien.
»Dimitri, mein Söhnchen, beiß die Zähne zusammen! Mit dir ist das Recht!« Und Evtimia schrie im Wechselgesang: »Dimitri, mein Held, ich bin stolz auf dich –«
Es war ein Höllenlärm draußen vor dem Haus. Tumow überlegte, ob er die Leute von Perjekopsskaja nicht einfach wegjagen lassen sollte. Das war kein Problem … die zwölf Milizsoldaten brauchten nur in die Luft zu schießen und dann zu verkünden, daß die nächsten Schüsse gezielt seien. So weit offen auch das Maul eines Demonstranten ist – das eigene Leben
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