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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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herum und rief zur Nachbarin Prokoffiewa hinüber: »Sie nehmen ihn mit! Nach Wolgograd! O Mutter Gottes, ich ersticke im Elend!«
    Wie ein Windstoß brauste die neue Nachricht durch Perjekopsskaja. Sie nehmen Kolzow mit nach Wolgograd. Sie verschleppen ihn! Das war es wert, jetzt die Sirene auf dem Parteihaus heulen zu lassen, aber dort saß der widerliche Mensch aus Moskau.
    »Holt sie alle zusammen!« rief der alte Babukin, dessen Hütte am Don-Ufer immer mehr zu einer Befehlszentrale wurde. »Von allen Ecken, holt sie! Wenn wir schon nichts gegen das Militär unternehmen können … so soll Dimitri Grigorjewitsch wenigstens einen schönen Abschied haben!«
    Zunächst allerdings war der Abschied Kolzows von seinem Haus einsam und traurig. Er küßte Evtimia, was er seit Jahren nicht mehr getan hatte und was bewies, wie tief erschüttert er jetzt war. Dann blickte er das Bild Lenins an, das in der ›schönen Ecke‹ statt der Ikone hing, und schüttelte den Kopf. »Hast du das alles gewollt, Genosse Wladimir Iljitsch?« sagte er versonnen. »Aber so ist es immer bei den Menschen: Einer hat einmal eine gute Idee, und dann kommen die anderen und machen Scheiße daraus! Gehen wir.«
    Er nahm den kleinen, prall gefüllten Sack aus Jute, warf ihn über die Schulter und tappte hinaus. Evtimia folgte ihm bis zum Parteihaus, hinter den Soldaten herlaufend, die Kolzow in die Mitte genommen hatten. Überall, wo sie vorbeikam an den Häusern stieß sie einen schrillen Schrei aus, wie ein Riesenvogel, den in Pfeil verwundet … und die Türen öffneten sich, die Frauen und Kinder liefen an die Zäune und drohten mit den Fäusten.
    Major Tumow erwartete Kolzow mißgelaunt und von siebenundzwanzig Wanzenbissen gemartert. Im Hof des Parteihauses schwelte in einem Feuer die Matratze. Tumow hatte befohlen, sie sofort zu verbrennen. Auch das von der Worenewa, einer dicken Frau mit gewaltigen, geflochtenen Zöpfen, gebrachte Frühstück hatte Tumow nicht angerührt. Die Milch roch sauer, der Tee war ein gelblich gefärbtes Wässerchen, lauwarm wie Hundepisse, das Brot klebte auf dem Holzbrett fest, und die Butter verbreitete einen Gestank wie zehn Schweißfüße.
    »Wir sind arme Menschen«, hatte die dicke Worenewa gesagt und das Brett vor Tumow auf den Tisch geknallt. »Wir leben immer so, wir kennen's nicht anders –«
    Tumow betrachtete Kolzow wie einen Gegenstand, den man in wenigen Sekunden zerhacken will. Gleich wird er umfallen wie ein Ochse, den man vor den Schädel schlägt, dachte er voll innerer Zufriedenheit. Und dann schoß er seine Frage ab, einen Volltreffer in das Herz Kolzows.
    »Wo ist Njuscha?«
    Kolzow blieb stehen, er fiel nicht um. Nicht einmal in seinen Augen sprang ein Funke auf. »Sie ist davongelaufen«, sagte er und senkte den Kopf wie ein gebrochener Vater.
    »So einfach davon?« fragte Tumow.
    »Ja. Ohne Abschied.«
    »Aber zusammen mit dem Deutschen!«
    »Ausgeschlossen. Der Deutsche und Jelena Antonowna waren da schon vier Tage fort.«
    »Oder er war noch hier, und mit Jelena Antonowna ist etwas Schreckliches geschehen!« Tumow hob die flache Hand und hieb Kolzow unter das Kinn. Dessen Kopf schnellte hoch, weit in den Nacken. »Dimitri Grigorjewitsch, Sie sehen, ich taste mich an die Wahrheit heran. Es wäre leichter für uns beide, wenn Sie reden würden. Warum wollen Sie in irgendeinem Keller die Wahrheit herausschreien? Ersparen Sie uns diese Methoden. Sie kennen mich jetzt, und Sie sollten klug genug sein, mich nicht zu reizen.« Er setzte sich auf die Schreibtischkante, und als Kolzow schwieg, hieb er ihm mit der Faust auf den Kopf. Es war ein dumpfer Laut, aber der Schlag war so stark, daß Kolzow ein dünner Blutstreifen aus dem rechten Nasenloch lief und im Mundwinkel versickerte. »Dimitri Grigorjewitsch –« sagte Tumow noch einmal warnend.
    Kolzow starrte geradeaus gegen die Wand. Sie können mich in Stücke reißen, dachte er, nicht ein Wort werden sie über dich, mein Töchterchen, hören. Als du zehn Jahre alt warst – ich erinnere mich noch genau, im Herbst war's –, verdunkelte sich plötzlich die Sonne, und ein Gewitter kam. Der Regen rauschte, das Wasser fiel wie aus Eimern aus den Wolken, und der Fluß schwoll an, begann zu brüllen, wie er es sonst nur nach der Schneeschmelze tut, überspülte die Ufer und riß ganze Berge aus den Böschungen. »Wo ist Njuscha?« schrie deine Mutter. »O Gott, sie ist am Fluß!« Ich warf mich auf mein Pferd und raste das Ufer entlang, und da

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