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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ist ihm wertvoller als die beste Meinung. Und doch zögerte Tumow. Ein merkwürdiges Gefühl hinderte ihn. Ein paarmal blickte er hinaus auf die Straße wo sich die Menge verdoppelt hatte, vor allem durch die Weiber die alle ihre Kinder mitgebracht hatten und nun in der ersten Reihe standen.
    »Brechen wir ab«, sagte Tumow in der sechsten Stunde. »Sie können gehen, Kolzow. Aber glauben Sie nicht, daß ich nachgebe. Ich bleibe hier. Sorgen Sie dafür, daß ein Raum als Schlafzimmer eingerichtet wird und daß ich täglich dreimal mein Essen bekomme. Woher, ist mir gleichgültig. Sie als Bürgermeister haben dafür zu garantieren. Das gleiche gilt für meine Begleitung. Ich beschlagnahme die Stolowaja und verlange Betten. Und nun gehen Sie –«
    Die Rückkehr Kolzows glich einer Heimkehr aus dem Krieg. Man umarmte ihn, Evtimia gebärdete sich wie ein junges Weibchen, küßte und herzte Dimitri, und dann trugen ihn die jungen Burschen auf den Schultern zu seinem Haus.
    Kolzow aber war sehr nachdenklich. In den vergangenen sechs Stunden hatte er Tumows Wesen genau durchschaut. Ein solcher Mensch, der einen Eisblock statt eines Herzens in der Brust hat, gibt nicht auf. Er ist wie ein Wolf, der die Beute gewittert hat und nun auf der Lauer liegt, um sie bei der günstigsten Gelegenheit zu reißen. Es war tödlich, jetzt leichtsinnig zu werden.
    »Erfüllen wir ihm seine Wünsche«, sagte Kolzow zu seinen Freunden, die als geballte Masse sein Zimmer ausfüllten. »Er soll sein Bett bekommen, und die Milizer sollen auch schlafen. Ihnen darf man nichts nachtragen … sie führen nur einen Befehl aus. Und das Essen … ich schlage vor, Worenew kocht es … Sein Haus liegt am nächsten.«
    »Ich werde ihm die Scheiße aus den Schweinedärmen kochen!« schrie Worenew aus der Menge. »Faules Fleisch wird er bekommen! Glasscherben im Kohl! Verrecken soll er, das Luder!«
    »Behandelt ihn gut.« Kolzow hob beide Hände. »Widerstand macht ihn nur noch sturer. Nein, gegen Gummi soll er laufen … das ist eine gute Taktik, Freunde. Wer gegen eine Wand aus Gummi läuft, immer und immer wieder, der setzt sich eines Tages hin und weint. Wie die Wellen des Don müssen wir sein Genossen … schmeichelnd und wiegend und kühlend … und doch kann man in ihnen ersaufen. Vor allem –« er reckte den Kopf, und alle waren still im Zimmer – »er hat bis jetzt nicht nach Njuscha gefragt. Er weiß noch nicht, daß es sie gibt. Sagt es allen im Dorf … keiner nennt den Namen Njuscha! Vergeßt, daß ich ein Töchterchen habe –«
    Dann teilte er Wodka aus, Evtimia backte auf dem Ofen dicke Eierkuchen mit Speck, und es zeigte sich wieder einmal, daß ganz Perjekopsskaja eine große Familie war.
    Nur vergaß man eines: In jeder Familie gibt es ein schwarzes Schaf.
    Perjekopsskaja machte da keine Ausnahme –
    *
    Major Tumow bekam sein Bett.
    Der Sargmacher Tutscharin mit seinen Gehilfen schlug es auf, tätschelte die Roßhaarmatratze und wünschte guten Schlaf. Tumow nickte ihm verblüfft zu. Die plötzliche Höflichkeit der Leute von Perjekopsskaja verwirrte ihn. Er kontrollierte das Bett, rüttelte daran … es war stabil und gut.
    »Auch die anderen Betten in der Stolowaja werden gleich geliefert«, sagte Tutscharin. »Es soll den Genossen an nichts fehlen.«
    Dann ging er vergnügt hinaus, nicht bevor er das Bett Tumows noch einmal gestreichelt hatte.
    Es war ein präpariertes Bett. In die Roßhaarmatratze hatte Tutscharin durch ein großes Loch, das er später bis auf einen kleinen, fast unsichtbaren Schlitz vernähte, eine ganze Kolonie Wanzen gesteckt. Die Körperwärme Tumows würde sie hervorlocken, kleine, hungrige, blutgierige Biester, die Tumow einen wilden Kampf lieferten. Kolzow wußte davon nichts, er hätte es auch verboten … und so tat es Tutscharin heimlich und drohte seinen Gehilfen Schläge an, wenn sie darüber sprechen würden. Auch ein Sargmacher will einmal eine kleine Freude haben …
    Es war schon dunkel, als sich von der Kolchose her ein einsamer Reiter vorsichtig Perjekopsskaja näherte. Er umritt das Magazin, sprang im Schatten dreier Pappeln ab und band sein Pferd an einem der Stämme fest. Dann schlich er gebückt, im Schutze der Flechtzäune, zum Parteihaus und wartete dort, bis der Milizposten bei seiner Wanderung zur Stolowaja abschwenkte. Wie ein Schatten und ebenso lautlos glitt der Reiter ins Haus und lehnte sich im Flur an die rosa getünchte Wand.
    Im Zimmer neben dem Parteibüro, dort, wo Kolzow

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