Liebe am Don
Hochzeitsreise, mein Seelchen? Sie müssen wissen, Major es ging da immer hin und her mit Granja Nikolajewitsch Warwarink, keiner wußte genau, was nun aus den beiden wird. Und was sagt sie, das Herzchen? Nein, ich fahre nach Wolgograd. Mir wird das Dorf zu klein. Ich will die Welt erleben.« Rebikow rollte wieder mit den Augen. Er war der geborene Schauspieler. »Mir blieb die Luft weg, Genosse. Das werd ich Kolzow aber verraten, dachte ich noch. Gleich morgen früh. Aber da war's schon zu spät … da war Njuscha weg –«
Tumow starrte Rebikow an, als wolle er mit diesem Blick die Wahrheit aus ihm heraussaugen. Aber Rebikow war erschöpft. Er schloß die Augen, faltete die Hände über dem Leib und seufzte tief. »O diese Infektion –«, röchelte er dann.
Tumow sprang auf und verließ das Schlafzimmer. Das ist eine Kreisfahrt, dachte er. Was habe ich erfahren? Nichts! Nur daß Njuscha angeblich nach Wolgograd gegangen ist. Aber ebensogut kann sie jetzt in Woronesch oder Rostow leben. Zum Kotzen ist's!
Er verließ das Magazin, und Rebikow riß sich den Schal vom Hals und sprang aus dem Bett. »Wie war ich?« fragte er Tutscharin, den Sargmacher. »Er hat alles geglaubt.«
»Du bist ein großer Schuft«, sagte Tutscharin. »Genauso belügst du uns, wenn du deine Waren anpreist. Los, hol ein Fläschchen, du krummbeiniger Bock … wir wollen den Sieg feiern.«
Als letztes Haus betrat Tumow den Hof Kolzows. Evtimia empfing ihn in der ›schönen Ecke‹ unter der Ikone, vor der das Ewige Licht flackerte. Sie trug ein schwarzes Kleid und den Witwenschleier über dem grauen Haar. Tumow blieb betroffen stehen. Sie kann es noch nicht wissen, durchfuhr es ihn. Amtlich lebt Kolzow noch. Sein Tod wurde noch nicht eingetragen.
»Wie geht es ihm?« fragte Evtimia, ehe Tumow etwas sagen konnte.
»Gut, Mütterchen Evtimia Wladimirowna.«
»Hat er ein gutes Bett?«
»Er schläft weich und traumlos. Ich soll Sie grüßen.«
»Wann kommt er zurück? Der Garten darf nicht verwildern …«
»Ein paar Tage wird es noch dauern, Evtimia.« Tumow lehnte sich an den Tisch. Die Witwenkleidung wirkte auf ihn wie eine stumme Verfluchung. Er sah Kolzow vor sich, wie man ihn wegtrug, einen Toten mit solch friedlichen Gesichtszügen, daß Tumow nichts mehr begriff und sich anschließend sinnlos betrank. »Ich habe eine Frage –«
»Bitte, Genosse.«
»Wo ist Njuscha?«
Evtimia blickte mit leeren Augen an Tumow vorbei. »Wer weiß es?« sagte sie leise. »Fragen Sie nicht weiter … mein Herz ist Asche –«
Nach zehn Minuten verließ Tumow das Haus Kolzows. Er ließ das Militär abrücken und fuhr selbst zur Sowchose, um dort noch einmal Granja zu sprechen. Aber auch Granja war plötzlich verschwunden. Der Vorarbeiter der 1. Brigade, Nikolai Wassiljewitsch Sadowjew, ein durchaus glaubwürdiger Mensch, berichtete: »Granja packte seine Koffer, sagte kein Wort und ritt weg. Das war gestern. Sie können sein Zimmer durchsuchen, Major … er hat alles Notwendige mitgenommen und nur das Unwichtige zurückgelassen.«
»Am Don verschwinden die Menschen wohl wie Nebel in der Sonne, was?« brüllte Tumow. Er inspizierte Granjas Zimmer, fand alles so, wie Sadowjew es geschildert hatte, und fuhr dann nach Wolgograd zurück.
Er gestand sich ein: Das war eine Niederlage. Zum erstenmal hatte man Tumow besiegt.
Was für Menschen sind das, dachte er, als er langsam durch Wolgograd fuhr. Es war tiefe Nacht, die breiten Straßen der Riesenstadt waren leer. Sie haben keine Angst, sie lassen sich die Häuser abbrennen, und sie lächeln, wenn sie geschlagen werden. Welch eine Kraft lebt in diesen Kosaken vom Don!
Er hielt am Ufer der Wolga, stieg aus und ging in der Einsamkeit der Nacht spazieren. Ein paar Liebespaare saßen auf den Bänken und küßten sich. Im Schatten der Landungsbrücken lagen ein paar Männer auf Zeitungen und schliefen. Auch in Rußland gibt es Landstreicher.
Tumow blieb stehen und blickte über den breiten, dunklen Strom. Die Lichter von Krasnaja-Sloboda schimmerten herüber. Dahinter begann die unendliche Weite, die sich auslief in den Steppen Kasakstans.
Es ist ein Verhängnis, dachte Tumow, daß Kolzow gestorben ist. Sein Tod ist der Deckel, der für immer das Geheimnis um Jelena Antonowna verschließt.
*
Zunächst aber, bevor Tumow sich weitere Taten überlegte, wurde die ganze Sache politisch. In dieser späten Nacht noch rief Tumow in Moskau an und ließ seinen Chef, Oberstleutnant Rossoskij, aus dem Bett
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