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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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tatsächlich parkten vor dem Parteihaus wieder drei Wagen aus Wolgograd. Rebikow, der Magazinverwalter, lag bereits im Bett, den Hals dick umwickelt, Böses ahnend, und hoffte darauf, daß man einen Kranken nicht verhörte, vor allem dann nicht, wenn er eine ansteckende Krankheit hatte. Väterchen Babukin, der vor nichts Angst hatte als vor einem normalen Tod im Bett, denn im Sattel wollte er ja sterben, umstrich das Parteihaus wie ein Rüde die Hütte einer Hündin und sprach dann die finster dreinblickenden Milizsoldaten an.
    »Was gibt's, Brüderchen, he?«
    »Geh weiter, Alter –«, knurrte einer.
    »Habt ihr Kolzow zurückgebracht?«
    »Nein.«
    »Ein Elend ist das. Solange ihr Kolzow nicht zurückbringt, wird es in ganz Perjekopsskaja nicht einmal ein Loch für euch geben, in das ihr scheißen könnt –«
    Kritisch wurde die Lage, als zwei Stunden später vier Mannschaftswagen mit Militär auf der Straße auftauchten, sechzig Soldaten vor dem Parteihaus antraten, die Gewehre scharf durchluden und in Reih und Glied auf weitere Befehle warteten. Ein Oberleutnant befehligte sie, und der alte Babukin warf sich ihm entgegen mit der ganzen Wucht seines uralten Mutes.
    »Haben wir Krieg?« schrie Babukin. »Was soll das? Oder ist das ein Manöver? Wozu dieser Aufmarsch? Ich frage euch, Brüderchen … ist es in der Ordnung, so einfach ein friedliches Dorf zu besetzen?«
    Das Geschrei brachte Babukin die erneute Bekanntschaft mit Major Tumow ein. Als ersten von Perjekopsskaja packte man ihn am Kragen, schleifte ihn ins Haus und stieß ihn in das große Zimmer, in dem einmal Kolzow die Geschicke des Dorfes geleitet hatte.
    Tumow saß bleich und übernächtig hinter dem Schreibtisch. Dunkle Ringe lagen um seine Augen, in den Mundwinkeln nisteten scharfe Falten. Er hatte den Uniformkragen geöffnet, als sei es ihm zu heiß oder als leide er unter Atemnot. Aus seinen Poren schwitzte der Alkohol der vergangenen Nacht.
    »Protest!« brüllte der alte Babukin, als er vor Tumow stand. Wie ein Ziegenbock hüpfte er umher und schlug mit den Armen um sich. »Ich bin Kommunist! Ich bin Parteimitglied! Ich gehöre zum Verein der ältesten Menschen der Sowjetunion! Stalin hat mir die Hand gedrückt, Chruschtschow hat mir über die Wangen gestreichelt und mich ›Mein liebes Alterchen‹ genannt, Kossygin hat sich mit mir eine Stunde lang unterhalten über das Ende des neunzehnten Jahrhunderts … und hier werde ich behandelt wie ein Floh! Das gibt eine Meldung nach Moskau, Genosse Major!«
    Tumow nickte und winkte ab. Aber Babukin war mit Gesten nicht zu besänftigen. Er rannte ans Fenster, riß es auf und schrie hinaus auf die Straße, auf der sich jetzt viele Weiber und Kinder, aber auch Kosaken angesammelt hatten. Aus der Steppe, von den Feldern und aus den Gärten waren sie herbeigeritten. Es war wie damals, als man Kolzow verhaftete, nur standen ihnen jetzt über sechzig Soldaten mit schußbereiten Waffen gegenüber.
    »Man behandelt mich wie einen schielenden Hund!« brüllte Babukin aus dem Fenster. »Freunde, schickt ein Telegramm nach Moskau ans Parteisekretariat!«
    »Mit Telegrammen kennt man sich in Perjekopsskaja anscheinend aus«, sagte Tumow im Hintergrund. Babukin zog den Kopf ein und schloß das Fenster. Achtung, sagte er zu sich. Der Wind weht heiß heran. Man muß sich abdecken, um nicht auszudörren.
    »Auch am Don nimmt man teil an den Segnungen des Fortschritts«, sagte er vorsichtig. Tumow betrachtete den Alten, wie eine Eule auf eine Maus blickt.
    »Was weißt du von Njuscha?« fragte er plötzlich. Babukin ließ sich nicht überrumpeln. Er schob die Unterlippe vor wie eine Schaufel.
    »Ein Aas ist sie«, sagte er wider sein Gefühl. »Läuft einfach weg und läßt die Eltern in ihrem Gram allein. Und welch ein Leben hatte sie! Der Augapfel Kolzows war sie. Nichts fehlte ihr … außer einem Mann, das wissen wir jetzt. Und das war stärker als zehn Pferde. Verschwindet einfach aus dem Dorf, zieht in die Ferne, wer weiß wohin? Ein undankbares Luder, Genosse. Verprügeln sollte man sie, wenn sie jemals zurückkommt. Aber sie wird nicht kommen … in fremden Betten 'rumwälzen wird sie sich, eine Schande ist's wirklich! Wenn Sie wüßten, wie hübsch sie war. Engelsgleich, von der Sonne geküßt. Aber im Leib hatte sie den Satan. Wer wird jemals die Weiber verstehen?«
    Tumow fragte noch ein paar harmlose Dinge, dann ließ er Babukin hinauswerfen. Ich fahre mich hier fest wie in einem Schlammloch, dachte er.

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