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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wirklicher Auftrag!«
    »Ich protestiere gegen diese Unterstellung.« Der Botschaftsrat sprang auf. Auch der Russe erhob sich. Er hatte mit keiner anderen Reaktion gerechnet. »Wir haben mit Herrn Bodmar nichts zu tun. Er ist Privatmann.«
    »Er ist Deutscher.«
    »Das ist doch eine völlig widersinnige Unterstellung!«
    »Ich habe nur den Auftrag, die Note abzugeben.« Der Russe verbeugte sich höflich. Zwei Sekretäre begleiteten ihn bis vor das Portal der Deutschen Botschaft und sahen betroffen dem dunklen Wolgawagen nach, wie er schnell davonfuhr.
    An diesem Morgen war Rossoskij sehr zufrieden. Das Außenministerium hatte ihn gelobt. »Es kommt Bewegung in den stillen See«, hatte ein Beamter des Ministeriums gesagt. »Windstille war noch nie gut –«
    In Rußland lasen an diesem Tag fast hundert Millionen Menschen von dem Doppelmord des deutschen ›Agenten‹ Eberhard Bodmar. Auch Njuscha las es … Glawira brachte mit dem zweiten Frühstück die Wolgograd-Prawda in den Leichenkeller.
    »Diese Deutschen!« sagte sie und spuckte auf die Schlagzeile. »Warum duldet Gott sie auf der Erde?«
    Und am Abend diskutierte Volkow diesen Vorfall und wollte Bodmars Meinung hören, ob die Deutschen noch als normale Menschen anzusehen seien. Großväterchen Iwan Feodorowitsch war der Ansicht, ganz Europa sollte sich auf die Deutschen stürzen wie eine Raubtierherde auf ein Stück Fleisch. »Dann wird endlich Ruhe in der Welt sein«, sagte Großväterchen. »Wer aufgefressen ist, kann nicht mehr stinken.«
    In der Nacht lagen Njuscha und Bodmar wieder eng beieinander und starrten gegen die kahle Wand ihrer schmalen Kammer. Unter der Türritze her schimmerte Licht … Großväterchen, der nie müde wurde, kochte sich noch einen Holundertee gegen den pfeifenden Atem.
    »Jetzt gibt es keinen Weg mehr zurück«, sagte Bodmar leise. »Jetzt ist eine Ratte freier als ich. Ein Doppelmörder! Sie verstehen ihr Handwerk in Moskau.« Er legte den Arm um Njuschas Nacken und zog sie an sich. »Wer hat wohl Granja umgebracht?«
    »Kümmert's uns?« Sie küßte ihn und glitt über ihn wie eine weiße, glatte Riesenschlange. »Ich bin bei dir, solange ich atme … Was geht es uns an, was die Leute über uns denken? Wir werden verschollen bleiben … verweht wie Staub im Wind. Welch ein schönes Leben, Sascha … die ganze Welt gehört uns!«
    »Ein Friedhof und ein Leichenkeller –«
    »Aber abends diese Kammer und du und ich … War das Paradies schöner? Sag es, Sascha … sag es …«
    Draußen tappte Großväterchen Iwan Feodorowitsch an der Tür des Badezimmers vorbei, vernahm das Flüstern und nippte an seinem Holundertee.
    Für ihn war sein eigener, pfeifender Atem wichtiger.

D REIUNDZWANZIGSTES K APITEL
    Die nächsten zwei Tage verliefen ruhig, rannen dahin wie die Wasser der Wolga, breit, träge und unbehindert. Bodmar schaufelte seine Gräber, Njuscha wusch die Leichen, abends trafen sie sich an der Wolga und aßen in billigen Lokalen. Da kein Tag verging, an dem nicht Borja Ferapontowitsch als Leiter der Totengräberbrigade III, südlicher Teil, einige Geschäfte über Grabwünsche abschloß, verdiente Bodmar mehr, als er je erwartet hatte. Der Grundlohn von zwei Rubel erhöhte sich in diesen beiden Tagen auf zwölf und siebzehn Rubel, und Njuscha kaufte eine neue Hose, ein blaues Hemd und eine graue Sportmütze für Sascha und für sich selbst ein Baumwollkleid mit großen bunten Blumen. Glawira hatte bei der Leiterin durchgesetzt, daß Njuscha einen Vorschuß von fünfzig Rubel erhielt, die sie gleich bei der Familie Volkow ablieferte, um zu zeigen, wie wohl man sich bei ihnen fühlte.
    »Der Himmel hat sie uns geschickt!« sagte Arkadij Mironowitsch Volkow am dritten Abend, an dem die Familie allein um den Tisch saß. »Wenn sie auch dämliche Bauern vom Don sind … ihr Geld liefern sie pünktlich ab. Ich sage euch allen: Wenn ihr herumerzählt, daß wir Untermieter haben, breche ich euch alle Knochen!« Volkow blickte dabei so wild von einem zum anderen, daß jeder nickte, sogar Großväterchen, der der letzte gewesen wäre, der etwas verraten hätte. Denn Bodmar brachte ihm jeden Abend hundert Gramm Wodka mit, die der Alte unter der Bettdecke weg soff wie ein Säugling seine Milchflasche.
    Mit den anderen Totengräbern kam Bodmar kaum in Berührung. Dagegen führte er lange Gespräche mit Borja, der mit seinen ständig wechselnden Toten so einträchtig lebte wie ein Kosak mit seinem Pferd. Im Aufbahrungsraum VI lag

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