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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sie haben ihre Rolle studiert und spielen sie mit einer wahren Meisterschaft. Soll ich jeden hier in Perjekopsskaja behandeln wie Kolzow?
    Er zögerte, dann befahl er, jedes Haus zu besetzen. Die Soldaten schwärmten aus, hockten sich in die Stuben, ließen sich beschimpfen und bespucken. Die Frauen und Kinder schrien, als steche man sie ab, die Männer lehnten mit geballten Fäusten in den Türen, von der Kirche jammerte die Glocke Sturm. Väterchen Ifan riß an dem Seil, als brenne das ganze Dorf.
    Tumow fuhr von Haus zu Haus. Er sagte immer das gleiche.
    »Ich will wissen, was mit Jelena Antonowna geschehen ist und wo sich Njuscha Kolzowa befindet. Wenn Sie mir keine Antwort geben, wird Ihr Haus angesteckt.«
    Und überall bekam Tumow das gleiche zu hören: »Beide haben das Dorf hintereinander verlassen. Auch der Deutsche. Mehr wissen wir nicht.«
    Tumow handelte. Er ließ zur Abschreckung das Haus des Fischers Numijew anzünden, ein altes, halbverfallenes Hüttchen, das in den Flammen prasselte, als freue es sich, endlich zu verschwinden. Aber für die Familie Numijew war es die Heimat, dort hatten bis heute neun Generationen gelebt, und der große Volksheld Iwan Nikolajewitsch Numijew war daraus hervorgegangen, der einzige am Don, dem im Großen Vaterländischen Krieg die höchste Tapferkeitsauszeichnung verliehen wurde, ehe ihn 1945 in Berlin eine Granate zerriß.
    Es war ein erschütterndes Bild, die Familie Numijew zu sehen, wie sie im Kreise um ihre brennende Hütte saß und bewegungslos zuschaute. Vater, Mutter und neun Kinder waren es, dazu das Großmütterchen, eine halbblinde Tante und ein Onkel, der auf dem linken Bein lahmte. Tumow war es ein Rätsel, wie sie alle in der kleinen Hütte geschlafen hatten. Vielleicht hatte man Großmutter, Tante und Onkel in Netzen unter die Decke gezogen.
    Aber auch dieses Beispiel von Moskaus Macht nutzte nichts. Wohin Tumow auch kam, er hörte immer die gleichen Antworten. Schließlich war es so, daß er zu Häusern kam, die man bereits ausräumte, und wo man ihm entgegenrief: »Noch eine halbe Stunde, Major, dann können Sie es anzünden!«
    Tumow knirschte vor Wut, aber er ließ nicht weiter brennen. Auch Vater Ifan, den Popen, verhörte er nicht, obgleich dieser mit Hilfe von vier Chorsängern die Kirche ebenfalls ausräumte, die Ikonen auf die Straße stellte und dem Major zuschrie: »Ich weiß auch nichts, Genosse! Gestatten Sie, daß ich die Glocke läute, während die Kirche brennt?«
    Tumow gab sich geschlagen. Er zog seine Soldaten aus den Häusern zurück und nahm sich als letzten Bürger des Dorfes den Magazinverwalter Rebikow vor. In einem Laden wie dem staatlichen Magazin laufen viele Nachrichten zusammen. Hier ist, wie bei einem Friseur, der Umschlagplatz allen Klatsches. Gab es Neuigkeiten, so mußten sie Rebikow bekannt sein.
    Tumow fand den armen Rebikow im Bett. Mit hochrotem Kopf, schwitzend – aber vor Angst –, mit trüben Augen und einer völlig heiseren Stimme begrüßte der Magazinverwalter den Major und reichte ihm sogar die Hand. Tumow übersah sie. Wie alle Russen hatte er eine große Angst vor Ansteckung. Er setzte sich an das Fußende des Bettes und schielte zu Tutscharin, dem Sargmacher, den man schnell zur seelischen Aufrichtung zu Rebikow abkommandiert hatte.
    »Eine Infektion –«, röchelte Rebikow und verdrehte schauerlich die Augen. »Es begann im Kopf, fuhr in alle Glieder, lähmte sie, wenn ich schlucke, ist's, als saufe ich Eiter … es ist eine schreckliche Infektion, Genosse.«
    Tumow nickte. »Ich will es kurz machen, Rebikow. Was wissen Sie von Jelena Antonowna?«
    »Wenig. Zweimal telefonierte sie vom Apparat des Magazins nach Moskau.«
    »Ach. Und wann?«
    »Das letztemal eine Stunde vor ihrer Abfahrt. Der Deutsche wartete draußen auf der Straße.«
    »Und was sagte sie am Telefon?«
    »Genosse!« Rebikow verzog das Gesicht, als fresse ihn die Infektion lebendigen Leibes auf. »Ich würde mir doch nie erlauben, eine Genossin aus Moskau zu belauschen –«
    »Und dann?«
    »Dann fuhren sie ab.« Rebikow schielte zu Tutscharin. Dieser nickte ihm zu. Tapfer, mein Freundchen, du lügst wie ein Parteiredner.
    »Und Njuscha?«
    »Die ist weg. In der Nacht einfach weg! Aber ich ahnte es.«
    »Ach!« Tumow spürte ein Kribbeln unter der Kopfhaut. Eine Spur … ein Hauch von Licht – »Wieso?«
    »Sie war am Tag vorher bei mir, kaufte ein Kleid und eine große Reisetasche. Ei ei, sagte ich zu Njuscha. Soll's weggehen? Etwa zur

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