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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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entnervt, entknocht von diesem Land, in dem eine Armee sich verlaufen kann wie eine Ameise in der Wüste.
    »Wo waren Sie am frühen Morgen?« fragte Tumow.
    Bodmar schreckte aus seinen Gedanken hoch. Die harte Wirklichkeit überfiel ihn jetzt doppelt stark: Natürlich, ich bin ja ein Deutscher, dachte er. Wieder ist ein Deutscher in diesem Land germanischer Kolonisationssehnsucht gelandet, und es ist eigentlich ganz natürlich, daß er neben einem erschlagenen Russen sitzt. Das ist der angestammte Platz der Deutschen.
    »Im Bett«, antwortete Bodmar. »Ich war müde. Am Vormittag landete ich in Scheremetjewo, am Nachmittag habe ich den Kreml besichtigt, was jeder anständige Moskau-Besucher tut, am Abend habe ich sehr gut gegessen, zuerst eine Soljanka-Fleischsuppe, dann Zander in Teig, schließlich einen Sharanja Baraschik (das ist ein herrlicher Lammbraten mit Zwiebeln, Kümmel, Pfeffer, Dill, roten Rüben, Tomaten und saurer Sahne), zum Schluß – ich esse für mein Leben gern, Genossen – einen gedünsteten Apfel in Rotwein. Getrunken habe ich ein Fläschchen Weißwein, Gurdschaani – Grusinischer Nr. 3. Sie müssen einsehen, Genossen, daß man nach solch einer Völlerei müde sein kann.«
    »Unsere Küche ist berühmt«, sagte der Subdirektor erfreut, aber überflüssig. Tumow bedachte den Vorlauten mit einem bösen Blick.
    »Haben Sie Zeugen?«
    »Daß ich gegessen habe? Die Rechnung natürlich –«
    »Daß Sie geschlafen haben!«
    »Nein.« Bodmar begann das Verhör irgendwie Spaß zu machen. Es war so völlig sinnlos, und das reizte ihn. »Ich habe zwar in meinem Zimmer ein breites Bett, aber ich ahnte nicht, daß das eine Aufforderung ist, sich für die Nacht einen Zeugen einzuladen –«
    Tumow verzog das Gesicht, als habe er an Salmiak gerochen. »Lassen Sie diese Scherze, Gospodin Bodmar. Hier ist ein Mann umgebracht worden«, sagte er laut. »Ein Bürger unseres Landes. Sie haben das Zimmer neben ihm.«
    »Das haben Nachbarzimmer so an sich.« Bodmar schlang die Arme um sein angezogenes Knie. Die Lässigkeit dieser Haltung beleidigte Tumow wie der Gestank eines zu fortgeschrittenen Käses. »Wer sind Sie überhaupt?«
    »Major Boris Grigorjewitsch Tumow vom KGB.« Tumow wartete, aber Bodmar zeigte keinerlei Wirkung. Bei einem Russen erzeugt das KGB ein Zittern bis zu den Schließmuskeln; KGB, hervorgegangen aus der berüchtigten GPU, der gnadenlosen Geheimpolizei Sowjetrußlands mit ihren schalldichten Verhörkellern in der Lubjanka, ist ein Wort, das die Herzen brechen läßt wie morsche Stämme.
    »Ach. Vom KGB –«, sagte Bodmar nur. »Man hört so vieles von ihm.«
    »Gelogenes –«, bellte Tumow zurück.
    »Wer kann das beurteilen, Major?« Bodmar suchte in seinen Taschen nach Zigaretten, fand eine zerknitterte Packung, holte sich eine Zigarette heraus und hielt dann die Schachtel Tumow hin. »Sie auch?«
    Boris Grigorjewitsch überlegte, ob er das Rauchen verbieten sollte. Ein Mensch, der verhört wird, der noch nicht einmal seine Unschuld bewiesen hat, darf nicht rauchen. Er ignorierte die hingehaltene Packung, schielte zu den Umstehenden und sah, daß sie die Szene mit gespannter Aufmerksamkeit betrachteten. Was macht er wohl, der Genosse Major, sprach aus ihren Augen. Schlägt er dem Deutschen die Zigarette aus der Hand? Brüllt er ihn an? Nimmt er ihn mit in die Lubjanka? Man wird's gleich erleben, Genossen. Paßt gut auf –
    Tumow flüchtete in den Weg nach vorn … er griff in seinen Uniformrock, holte ein Feuerzeug heraus und zündete Bodmars Zigarette an.
    Die Umstehenden blickten sich an. Ein raffinierter Hund, der Tumow! Er lullt den Verdächtigen ein. Er wiegt ihn wie eine Mutter ihr Kind. So löst er ihm die Zunge. Brüder, laßt euch von Tumow nie Feuer für die Papyrossa geben!
    »Warum sitze ich eigentlich hier?« fragte Bodmar. »Ich habe geschlafen … und wenn ich schlafe, höre, sehe und rieche ich nichts. Oder können Sie das, Major?«
    »Sie waren mit Gorlowka im selben Flugzeug?« Tumow begann das Spielchen zu lang zu werden.
    »Wer ist Gorlowka?«
    »Der Tote.«
    »Ach ja, Sie erwähnten den Namen schon.« Bodmar schielte auf die zugedeckte Leiche. »Wie kann ich das wissen? Es waren – glaube ich – neunzig Passagiere in der Maschine. Man kann sich nicht jedes Gesicht merken, und vorgestellt hat sich mir auch keiner. Nur mein Sitznachbar. Der hieß Valentin Prokowjewitsch Tischnin und war Arzt. Er reiste von einem Kongreß in Prag zurück nach Moskau.«
    »Und

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