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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Oberstleutnant.«
    »Da kann mitten in einer großen Stadt ein Offizier verschwinden, und keiner merkt etwas. Da reist eine Genossin unserer Dienststelle mit einem deutschen Journalisten an den Don und löst sich plötzlich in Luft auf. Und da ist ein Bauernmädchen – und ausgerechnet die Tochter des Mannes, bei dem Jelena Antonowna wohnte –, das geht angeblich nach Wolgograd, um mehr zu werden als ein kindergebärendes Kosakenweib … und weg ist es.« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und sprang auf. »Und wir stehen hier herum wie Kühe im Regen und blöken die Wolken an! Genossen, sehen Sie denn nicht irgendwelche Zusammenhänge?«
    »Wir brauchten eine Spur …«, sagte einer der Offiziere stockend. »Nur die Ahnung einer Spur … Ich schlage vor, den ganzen Fall noch einmal von Perjekopsskaja aus aufzurollen. Dort weiß man mehr. Es sollte doch möglich sein, aus dieser Mauer des Schweigens einen Stein herauszubrechen.«
    »Denken Sie an Kolzow.« Rossoskij zog die Unterlippe zwischen die Zähne. »Die Köpfe am Don sind so hart wie die Kiesel im Fluß –«
    Trotzdem beschloß man, in Perjekopsskaja noch einmal die Macht zu demonstrieren. Ein Gedanke Rossoskijs hatte gezündet. »Ich werde die Witwe Evtimia verhören«, sagte er. »Die besondere Situation duldet keine Pietät –«

A CHTUNDZWANZIGSTES K APITEL
    Am Sonntag – es war ein schöner, sonniger, warmer Maitag mit einem lichtblauen Himmel ohne Wolken – erschien Borja Ferapontowitsch bei den Volkows. Großvater Iwan umarmte ihn wie einen alten Freund und schrie durch die Wohnung: »Aufstehen! Alles aufstehen! Der Totengräber ist gekommen. Er will mich holen! Grabnummer 1019 habe ich, haha!«
    Die Familie sprang aus den Betten, denn alle dachten, jetzt sei der Alte wirklich übergeschnappt und man müsse ihn abtransportieren lassen. Auch Njuscha und Bodmar kamen aus ihrer Kammer. Borja hier in der Wohnung? Was war draußen auf dem Friedhof geschehen? Seit dreißig Jahren hatte Borja nicht die Umgrenzung der Mauern verlassen ohne einen zwingenden Grund. Dazu gehörte der Kauf von Tabak und Wodka und jedes Jahr der Besuch der Gedenkfeier des Sieges von Stalingrad. Dann marschierte er über den Roten Platz, hatte seine Orden an die Brust gesteckt und war sogar rasiert.
    »Ich hole Njuscha und Sascha ab«, sagte Borja, ließ sich von Großvater Iwan eine Tasse Tee bringen und schlürfte sie wie eine Katze warme Milch. »Wir machen einen Ausflug. Drei Räder habe ich geliehen. Wir fahren über das Land, sehen uns den Flugplatz an und sprechen mit den Genossen in der Steppe. Verdammt, ich habe eine unbändige Lust dazu. Ist's der Frühling, Iwan Feodorowitsch?«
    Großvater Volkow strich sich über die Haare und kicherte. »Vielleicht steckt dir ein Bild aus der Zeitung in den Knochen, was, Brüderchen?«
    »Vorbei.« Borja winkte ab. »Ich habe das Weib geraucht.«
    »Ein Barbar!« Der alte Volkow schlug die Hände zusammen. »Rollt ein nacktes Körperchen zu Zigaretten! Nur ein Totengräber hat so einen Charakter.«
    Die Straßen waren noch leer, und die Stadt träumte im sonntäglichen Frieden, als Borja, Njuscha und Bodmar auf ihren geliehenen Fahrrädern durch die Häuserreihen fuhren und die Straße nach Pitomnik erreichten. Borja hatte die Jacke ausgezogen und die Mütze in den Nacken geschoben, sein schmutziges Hemd glänzte in der Sonne, und wenn er an anderen Menschen vorbeikam, rief er ihnen zu: »Welch ein Tag, Freunde!«
    Ab und zu hielten sie an, machten eine kurze Rast, und Borja holte aus seinen Taschen Äpfel hervor, brach sie auseinander und verteilte sie.
    Nach drei Stunden Fahrt hatten sie die Vorstädte Wolgograds verlassen und erreichten das flache Land, überquerten den Tatarengraben und standen dann an der Straße zum Flugplatz Pitomnik. Hier hielt Borja wieder an und zeigte über die Steppe.
    »Das ist sie«, sagte er.
    Bodmar fragte nicht, was er damit meinte … in der letzten halben Stunde war er immer ernster und schweigsamer geworden, und je weiter sie sich von Wolgograd entfernten, um so schwerer wurde es ihm, die Pedale seines Rades zu treten. Nun standen sie an der Straße nach Pitomnik, es war ein warmer, sonnenüberglänzter Tag, die Luft flimmerte über die Steppe, und doch war es Bodmar, als wehe der Wind Schnee über ihn.
    Pitomnik. Der vorletzte Brief seines Vaters. Ein Verwundeter hatte ihn aus dem Kessel von Stalingrad hinausgebracht, zusammengeknüllt im Stiefel. Er hatte Glück gehabt, man schob

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