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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ehrbaren Bürger nicht sofort mit der Titelseite … man schob das Foto von Njuschas herrlichen Formen auf die zweite Seite.
    Mit Tumow war ein Teufel vernichtet worden … nun saß an seiner Stelle ein Eisberg.
    Man wird uns jagen wie die Wölfe, hatte Bodmar einmal gesagt.
    Glückliche Wölfe … sie können davonlaufen. Die riesige Taiga ist ihr Reich. Für Njuscha und Sascha aber wurde die Welt immer kleiner …

S IEBENUNDZWANZIGSTES K APITEL
    Timor Antonowitsch Brutjew, der Fotograf, hatte am Tage eine Stunde, in der er sich nicht stören ließ, auch wenn vom Heiratspalast zehn Paare herübergekommen waren und im Wartezimmer oder auf dem Flur herumstanden, seinen Namen riefen, fluchten, gegen die Wände schlugen und drohten, auf das Erinnerungsfoto der Hochzeit zu verzichten: Es war die Stunde des Frühstücks.
    Genußvoll schlürfte er seinen Tee, den er nach orientalischer Art mit Honig süßte, kaute ein dick mit Butter bestrichenes Weizenbrötchen, ließ dazu das Radio spielen, das um diese Zeit meistens Lieder, gesungen von Soldatenchören, sendete, und las die Zeitung.
    Viel Neues gab es nie … die sowjetische Presse lebt nicht von Sensationen, Morden, sexuellen Orgien und anderen kapitalistischen Ausschweifungen. Sie berichtet spannend aus den einzelnen Betrieben, stellt Aktivisten vor, die ihr Soll übererfüllten, oder erklärt den Lesern, wie verfault der Westen ist, eine wahre Kloake in dieser Welt, deren größter Teil aber durch den Sozialismus gesundet war.
    Brutjew überschlug diese Seiten und fing hinten an. Bei den Anzeigen, im Sportteil, bei den Theaterberichten. Er war ein kultivierter Mensch, und zu einem Milchbrötchen ist der Artikel über die Tänzerin Narajowa besser geeignet als ein Lobgesang auf den Genossen Duschew, der im Werk ›Roter Oktober‹ täglich vierzehn Stunden arbeitet, um die Schrottberge einzuschmelzen. Sein Bekenntnis »Jede Stunde hilft uns, den Kapitalismus zu besiegen« interessierte Brutjew nicht.
    An diesem Morgen stieß Timor Antonowitsch einen leisen Schrei aus und spuckte die Butterwecke aus, in die er gerade gebissen hatte.
    Auf Seite zwei prangte groß das Bild des kopflosen, nackten Mädchens. Es war ein wenig verfälscht, denn nach langer Beratung hatte die Redaktion beschlossen, den unteren Teil etwas zu schwärzen. »Das ist auch im Sinne des KGB«, hatte der Chefredakteur gesagt, »daß durch dieses Foto nicht Revolutionen in den Schlafzimmern stattfinden. Der Busen genügt, darauf kommt es an. Man muß in der Presse immer das Wichtige herausstellen –« So druckte man also Njuschas Unterleib mit sehr viel Schatten, was bewirkte, daß ihre Brüste um so plastischer hervorkamen.
    Brutjew begann zu zittern und ahnte Böses, als er die Unterschrift las.
    »Wer dieses Bild fotografiert, entwickelt oder vergrößert hat, wird aufgefordert, sich sofort beim Sekretariat der Partei zu melden.«
    Ein Text, der zu Rossoskij paßte … knapp wie ein Schuß. Er traf Brutjew mitten ins Herz.
    Man kann voraussetzen, daß von tausend Menschen einer ein Held ist und die anderen neunhundertneunundneunzig Feiglinge. Wäre es umgekehrt, sähe die Welt vielleicht besser aus. Niemand konnte also verlangen, daß gerade Brutjew, dieser feinsinnige Künstler, der mit dem Retuschierstift Großmütter zu blühenden Frauen verwandelte, ein Held war, der nun sofort zur Parteileitung fuhr, den zweiten Abzug des Fotos auf den Tisch legte und sagte: »Hier, Genossen, bin ich! Ich habe sie fotografiert. War das ein Abend! Als sie sich auszog, brauchte ich die Kraft von zehn Ochsen, um mich festzuhalten. Man ist ja schließlich ein kompletter Mann, Freunde.«
    So einfach war das nicht; Brutjew ahnte das. Wenn dieses Bild in der Zeitung veröffentlicht wird und wenn man sich deswegen beim Parteisekretariat melden soll, hat der Teufel draufgespuckt, so sicher, wie ein Rüde das Bein hebt. Es würde Unannehmlichkeiten geben, Verhöre, scharfe Fragen, und am Ende würde man ihm nicht glauben, daß er das üppige Weibchen nicht kannte, denn ein gewissenhafter Fotograf führt eine Kundenkartei.
    Brutjew beschloß, in Urlaub zu fahren. Das war unverfänglich, denn jeder Mensch hat einmal Erholung nötig. Das steht sogar im Parteiprogramm.
    Er handelte sofort, denn es gibt keinen besseren Motor als die Angst.
    Zunächst nahm er die heimlich zurückbehaltene zweite Vergrößerung des Fotos von seinem Bett ab, betrachtete sie noch einmal mit einem tiefen Seufzer, küßte inbrünstig diesen

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