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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kann blasen. Das wird ein feierlicher Tag –‹ Umarmt hat er mich, der Inspektor, und auf die Wangen geküßt. ›So machen wir es‹, hat er gerufen. ›Und begraben werden wir sie auf dem südlichen Teil!‹ – Da haben wir's Sascha! Wir werden arbeiten müssen, bis wir dampfen wie ein durchlöcherter Kessel. Los, leg das Werkzeug hin. Wir müssen die Toten abholen. Auf drei Werst ist das Wolga-Ufer gesperrt, überall schwimmen die Ertrunkenen herum … und gerade heute, wo eine deutsche Touristengruppe auf den Treppen steht und der Fremdenführer sagt: ›Meine Damen und Herren, das ist die Wolga. Der Stolz Rußlands!‹ Und bums, fällt ein Boot um. Statt Fische gibt es Tote am Ufer. Der Mann von ›Intourist‹ soll einen Schüttelkrampf bekommen haben –«
    Bodmar kletterte aus dem Grab und warf die Hacke weg. Mit dem Unterarm wischte er sich den Schweiß aus dem Gesicht und drehte sich dabei um, damit ihm Borja nicht ins Gesicht sehen konnte.
    »Eine deutsche Reisegruppe?« fragte er.
    »Sechsundzwanzig sollen es sein, sagt der Inspektor.« Borja riß einen Streifen Papier von der Zeitung und drehte für Bodmar ebenfalls eine Zigarette. »Mit einem Omnibus werden sie durch die Stadt gefahren, besichtigen das Ehrenmal auf dem Mamajew-Hügel, das Kriegsmuseum, das Kaufhaus, wo dieser deutsche General Paulus im Keller saß, die Wolga sehen sie sich an und den Aufbau der Stadt. Übermorgen fahren sie weiter ans Schwarze Meer, nach Sotschi.« Er gab Bodmar die dicke Zigarette und steckte sie ihm an. Hastig rauchte Bodmar die ersten Züge, wie ein süchtiger Mensch, der nach langer Zeit ein Quentchen Gift erbeutet hat. Dann hustete er, und keiner konnte es ihm übelnehmen, daß er dabei zitterte.
    »Wo wohnen sie?« fragte er.
    »Natürlich im besten Hotel, wo sonst? Im ›Intourist‹. Die zweite Gruppe ist's in diesem Jahr.«
    »Die zweite –«
    »Du solltest sie sehen, Sascha, wie sie herumlaufen. Kaum ist der erste Sonnenstrahl am Himmel, da werfen sich die Weiber in kurze Hosen, ich sag dir, fast alles kann man sehen, und mit dem Hintern schwenken sie herum wie eine Kalmückenstute … so gehen sie, so …« Borja machte ein paar Schritte, wippte mit dem Hintern und lief mit verklärtem Gesicht um das halbfertige Grab herum wie ein Zirkusgaul. »Und die Kerle tragen bunte Krawatten wie die Clowns, und wenn sie vor dem Ehrenmal stehen, machen sie Gesichter, als wollten sie gleich losheulen. Völlig sprachlos sind sie, meint der Inspektor, wenn sie die neue Stadt sehen. Denken wohl: Na ja, fahren wir mal in die Steppe, da laufen die Männer in Säcken 'rum, und die Weiber haben die Brüste heraushängen. Es lohnt sich, sie anzusehen, diese Deutschen. Auf die Schenkel könnte man sich schlagen, Sascha. Da stehen sie 'rum und wundern sich, daß wir nicht rohe Kartoffeln fressen und an den Straßenecken sitzen und scheißen.«
    Bodmar nickte, was konnte er anderes tun? Mit zwölf anderen Totengräbern, dem Inspektor der Friedhofsverwaltung und einem Mädchen in einem roten Kleid, das die Sekretärin des Inspektors war – und nach Dienstschluß noch anderes, wie man sich erzählte –, wurde er in einem Lastwagen zum Wolga-Ufer gefahren. Durch drei Polizeiketten schleuste man die Totengräber, bis sie aussteigen mußten und zu Fuß bis zu den Treppen marschierten, auf die man die bisher aus dem Fluß gezogenen Toten hingelegt hatte, in einer Reihe nebeneinander wie riesige Fische.
    »Sieh dir das an!« klagte Borja. »Es werden mehr als neunundvierzig. Sie holen immer noch mehr aus der Wolga.«
    Auf dem Strom fuhren flache Kähne hin und her und zogen Netze durch das Wasser. Taucher suchten den Flußgrund ab. Zehn Polizeiboote lenkten den Schiffsverkehr zum anderen Ufer. Ärzte untersuchten die herausgefischten Menschen, legten ihnen Sauerstoffmasken an und unternahmen Wiederbelebungsversuche. Bei einigen hatten sie Erfolg … im Laufschritt brachte man diese Glücklichen auf Tragen zu den wartenden Sanitätsautos.
    »Wieder zwei weniger«, stellte Borja fest. »Sascha … ich rechne gerade die Überstunden aus. Kein Rubelchen werden wir extra bekommen. Das ist Menschenpflicht, werden sie uns sagen. Ein nationaler Trauertag ist's, und ihr wollt Geld daran verdienen?«
    Die amtlich festgestellten Toten wurden jetzt weggetragen. Sascha, Borja und die anderen Friedhofsarbeiter liefen mit den triefenden Körpern hin und her, der Inspektor brüllte und wollte neue Protokolle aufnehmen, verlangte eine Identifizierung

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