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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Leichen, denn wenn sie in den Verwaltungsbereich des Friedhofs überführt wurden, mußten sie einen Namen haben. Ordnung muß sein, Genossen. Anonyme Tote machen Schwierigkeiten, vor allem dann, wenn sich später doch noch Verwandte melden.
    So ordnete man also die Ertrunkenen in zwei Gruppen … diejenigen, die ihren Personalausweis bei sich trugen, wurden sofort weggefahren … die anderen, die im Augenblick noch namenlos waren, schaffte man zum Krematorium, wo sie in der großen Wandelhalle aufgebahrt wurden, damit man sie dort besichtigen und identifizieren konnte.
    Bis zum Abend holte die Flußpolizei mit Netzen und Tauchern sechsundfünfzig Tote aus der Wolga. Borja brachte die neuesten Nachrichten mit … als kleine Gruppe saßen die Totengräber auf den Treppen des Ufers, rauchten und ruhten sich aus. »Den Kapitän haben sie verhaftet«, sagte Borja. »Besoffen war er, der stinkende Hund. Macht einen Luftsprung, als sein Boot umkippt und rettet sich als erster. Als er an Land kommt, setzt er sich hin und weint. Freunde, hat er gerufen, ein Konstruktionsfehler war's. Macht die Genossen vom Schiffbau verantwortlich. Immer hat das Schiffchen geschwankt wie ein Invalide mit einem Holzbein. Keine scharfe Wendung durfte man fahren. Aber heute kommt mir ein Schlepper entgegen, ich muß ausweichen, reiße das Steuer herum, denke nicht an das plattfüßige Luder … und ha … es kippt um! – Aber sie haben ihn trotzdem verhaftet. Er stank nach Wodka wie eine ganze Brennerei.«
    Als keine Toten mehr aus der Wolga gefischt wurden, Polizei und Sanitätsautos abrückten und nur noch ein paar Wachen am Ufer zurückblieben, fuhren auch die Totengräber nach Hause. Bodmar verabschiedete sich schon am Fluß von Borja, aber er ging nicht die wenigen hundert Meter bis zu dem Wohnblock, in dem die Familie Volkow mit Njuscha bereits am Tisch saß und über das Ereignis des Schiffsunglücks diskutierte, sondern er fuhr mit dem Omnibus in die Stadt und ließ sich vor dem Hotel ›Intourist‹ absetzen. Vorher machte er noch einen Umweg, erstand im Staatlichen Kaufhaus ein neues Hemd und eine Krawatte, eine billige Hose und leichte Sommerschuhe, zog sich auf der Toilette um, packte seine alten Kleider in die Tüte und war nun gepflegt genug, das Hotel betreten zu können. Trotzdem hielt ihn der Genosse Portier an.
    »Wohin?«
    »Ins Restaurant, Genosse. Ich will ein Süppchen verzehren. Oder kocht man hier nur für die deutschen Revanchisten?«
    »Du hast keine Jacke an.«
    »Soll ich mir einen Frack kaufen, um bei euch meinen Borschtsch zu essen?« schrie Bodmar. »Ich bin ein ehrlicher Mensch, genügt das nicht? Genosse, soll ich ein großes Geschrei anfangen?«
    Der Portier seufzte tief und gab die Tür frei. Bodmar betrat die große, prunkvolle Halle des Hotels, stellte die Tüte mit der Totengräberkleidung an einen Palmenkübel und setzte sich in einen der Sessel. Neben ihm las ein Mann die ostdeutsche Zeitung ›Neues Deutschland‹. Ein Glas Tee stand vor ihm auf dem runden Glastisch.
    Bodmar überlegte. Dann wagte er es.
    »Wie gefällt Ihnen Wolgograd?« fragte er auf deutsch. Der Mann zuckte zusammen, ließ die Zeitung sinken und starrte Bodmar erschrocken an.
    »Wieso?« fragte er. »Schön, sehr schön. Kolossaler Aufbau. Diese Hochhäuser, die breiten Straßen, die Parks … hätte ich nicht gedacht. Eine tolle Leistung, muß man sagen.« Er musterte Bodmar. In seinen Augen lag die Angst der Unsicherheit. Überall in Rußland waren Agenten, das hatte man immer gehört. Jedes Wort wird hier abgewogen. Was wollte dieser fremde Mann? Und deutsch sprach er auch noch.
    »Sie gehören zu der deutschen Reisegruppe, die morgen weiterfährt nach Sotschi?« fragte Bodmar.
    »Ja. Ja natürlich. Ich … ich bewundere Rußland. Haben ein ganz falsches Bild im Westen davon … Viel mehr Deutsche sollten Rußland besuchen – viel mehr …« Dem Mann stand der Schweiß auf der Stirn. Hilfesuchend irrte sein Blick durch die weite Hotelhalle.
    »Warum haben Sie Angst?« fragte Bodmar. Der Mann tat ihm leid. Wie unausrottbar doch ein falsches Bild von Generation zu Generation vererbt wird, dachte er. Da sitzt nun dieser Mann in einem Hotel in Wolgograd, heißt vielleicht Peter Meier, besitzt eine Wohnung in Wanne-Eickel und hat für diese Reise das ganze Jahr gespart. Wollen mal sehen, wie's da drüben aussieht, hat er vor dem Abflug gesagt, und der Kegelklub hat ihm weise Ratschläge gegeben. Wir gucken dem Iwan auf die Finger,

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