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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das sag ich euch. Von wegen Propaganda … das läuft bei mir nicht! Vaters Auge ist wach! – Und nun sitzt er hier und schwitzt vor Angst und weiß nicht, ob ihn schon ein Agent angesprochen hat und ob er etwas Falsches gesagt hat …
    »Ich habe keine Angst«, stotterte der Mann. »Warum? Wer sind Sie überhaupt?« Ein Aufflackern von Mut. 1.450 Mark hat man bezahlt. Dafür kann man verlangen, in Ruhe gelassen zu werden. »Was fragen Sie mich aus? Wenn Sie etwas wissen wollen, wenden Sie sich an unseren Reiseleiter.«
    »Genau das wollte ich. Wo finde ich ihn?«
    »Er steht dort hinten am Fenster. Ja, der mit dem braunen Haar. Heppenrath heißt er.«
    »Danke.« Bodmar stand auf und ging davon. Es war ihm, als höre er das erlösende Aufatmen des Mannes wie das Pfeifen eines Blasebalgs.
    Der Reiseleiter Heppenrath blickte Bodmar forschend an, als dieser auf ihn zuging und ansprach. Hier ist alles auf der Hut, dachte Bodmar voll Bitterkeit. Jeder wittert eine Falle.
    »Ich bin Deutscher«, sagte er. »Ein deutscher Journalist. Eberhard Bodmar aus Köln.«
    »Ihren Namen habe ich doch schon mal gehört oder gelesen. Heppenrath.« Sie gaben einander die Hand und sahen sich eine Weile schweigend an. »Wollen Sie ein Interview?« fragte Heppenrath dann. »Unsere Eindrücke von der bisherigen Rußlandreise? Wir sind sehr zufrieden und überrascht von dem, was wir gesehen haben. Die Menschen sind freundlich und gastlich, es gibt keinerlei Ressentiments. Erstaunlich, mit welcher Objektivität die Russen uns gerade in Stalingrad gegenübertreten …«
    »Lassen wir das bitte.« Bodmar verzog das Gesicht. »Ich bin kein Bonner Korrespondent. Wo kann ich Sie allein sprechen?«
    »Gehen wir ins Lesezimmer.«
    Eine Stunde blieben Bodmar und Reiseleiter Heppenrath in der Bibliothek. Sie saßen in einer Ecke, ließen sich grusinischen Kognak bringen und sprachen leise miteinander.
    »Das ist ja toll«, sagte Heppenrath und trank den fünften Kognak aus. »Jetzt erinnere ich mich auch an Ihren Namen. Stimmt … er stand in den Zeitungen … Sie sollten eine Dolmetscherin ermordet haben und seitdem flüchtig sein. Mann, ist das eine Geschichte! Und nun wollen Sie natürlich 'raus aus Rußland?«
    »Nein, ich möchte nur, daß Sie Grüße nach Deutschland mitnehmen. Grüße an meine Freunde. Ich habe ein paar Zeilen geschrieben … würden Sie die nach Köln schicken?«
    »Natürlich! Und die Leute in Bonn werde ich mobil machen. Die sollen sich mal Gedanken machen, wie man Sie hier herausholt! Ich werde ihnen genau wiedergeben, was Sie mir erzählt haben. Wozu haben wir eine Deutsche Botschaft?«
    »Bitte tun Sie das nicht.« Bodmar überreichte Heppenrath einen kleinen Brief. Er hatte ihn im Kaufhaus geschrieben, auf dem billigen Einheitspapier, das er in der Schreibwarenabteilung gekauft hatte. Heppenrath steckte das Kuvert sofort in seine Brieftasche.
    »Sie wollen doch nicht etwa für immer in Rußland bleiben?« sagte er dabei.
    »Doch. Ich habe dieses Land lieben gelernt.«
    »Und müssen sich verkriechen wie eine Maus.«
    »Ich habe Njuscha, vergessen Sie das nicht.«
    »Sie muß ein Wunder an Frau sein.«
    »Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen.« Bodmar stand auf, und auch Heppenrath sprang hoch. »Ich riskiere zu jeder Stunde meinen Kopf, und ich weiß, daß man mich rücksichtslos bis zu meinem Lebensende in ein sibirisches Bergwerk stecken wird und meine Liebe zu diesem Land nicht honoriert … aber ich bleibe, weil mir die andere Welt zu eng geworden ist. Njuscha und die Steppe und der Don und der weite Himmel und die Felder, die am Horizont in den Wolken ertrinken, und die rauschenden Wälder und diese Menschen, in denen noch die Natur lebt, so wie Gott sie geschaffen hat … das kann man nicht mehr verlassen, da muß man bleiben. Es ist ein Leben mit der Zukunft.«
    »Sie reden, als habe dieses Land Sie betrunken gemacht.«
    »So ist es. Genau so.« Bodmar gab Heppenrath die Hand. »Grüßen Sie Deutschland, und schicken Sie bitte den Brief nach Köln. Und wenn jemand Sie fragt, sagen Sie: Der verrückte Kerl ist glücklich.«
    »Und wovon leben Sie?« fragte Heppenrath. »Wie verdienen Sie ihr Geld?«
    »Ich bin Totengräber.« Bodmar lächelte verträumt. Dann wandte er sich ab und verließ schnell das Lesezimmer. Entgeistert blickte ihm Heppenrath nach und bestellte sich später noch einen doppelten Kognak.
    Bei den Volkows war bekanntgeworden, daß Sascha die Toten an der Wolga aufgesammelt hatte. Großvater

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