Liebe am Don
Atem, brüllte etwas Unverständliches, zog seine Unterhose hoch und entfernte sich in sein Zimmer. So war das jeden Morgen … nur heute nicht. Im Zimmer von Iwan Feodorowitsch blieb alles still. Kein Raunzen, kein Hüsteln, kein Schlurfen der Füße, kein Geklapper mit dem Tonbecher, in dem er sich seinen Tee aufgoß. Die Volkowa lauschte an der Tür, auch das Schnarchen des Alten war verstummt. Wenn man gewöhnt ist, jeden Morgen die gellende Stimme des Großvaters zu hören, ist so eine Stille unheimlich.
»Wach auf, Arkadij«, rief deshalb die Volkowa und schüttelte ihren Mann, bis er aufzuckte und mit irren Augen um sich starrte. »Bei Großväterchen ist alles still.«
Arkadij Iwanowitsch Volkow sah auf den runden Wecker und sprang dann aus dem Bett. »Er wird doch nicht an seiner Galle erstickt sein?« rief er. »Oder hat er gestern wieder getrunken?«
»Nicht mehr als sonst. Vielleicht hundert Gramm Wodka –«
»Davon fällt er nicht um.« Volkow rannte zum Zimmer des Alten und drückte die Klinke herunter. Die Tür war abgeschlossen. Auch das war eine Neuerung von Iwan Feodorowitsch … seit er das Bild des nackten Mädchens in der Zeitung für sich gerettet hatte, schloß er sich ein. »Ein weißhaariger, geiler Kater ist er!« hatte die Volkowa sofort geschimpft. »Legt sich wohl ins Bett, der Greis, und beschäftigt sich mit sich selbst, he!« Und Großvater hatte zurückgeschrien: »Lieber hundert Hände als eine Sekunde auf dir, du Kalmückenstute!« Es war schon ein erfreuliches Familienleben bei den Volkows.
»Väterchen!« rief Volkow durch die geschlossene Tür. »Was ist mit dir? Väterchen! Fühlst du dich nicht wohl?«
Der Alte schwieg. Njuscha und Bodmar kamen aus ihrem engen Badezimmer. Der Lärm hatte sie aufgescheucht. Mittlerweile war die ganze Familie wach … die Kinder standen in ihren Nachthemden herum wie die Weihnachtsengel.
»Laßt mich«, sagte Fedja, der Älteste. »Wenn der Alte wieder beleidigt ist, kann nur ich mit ihm sprechen.« Er trat gegen die Tür, trommelte mit beiden Fäusten und brüllte mit seiner hellen Kinderstimme: »Großväterchen! Mach auf! Du mußt mir helfen! Ich verstehe eine Rechenaufgabe nicht und muß in einer Stunde in die Schule –«
Das war ein übler Trick, den Alten sanft zu stimmen. Fedja wandte ihn immer an, wenn die Luft zum Schneiden dick über den Volkows lag und man sich gegenseitig vorwarf, daß man überhaupt noch lebte. Wenn dann Fedja mit seinen Schulaufgaben kam, wurde Iwan Feodorowitsch friedlich und half seinem Enkel. Das Gefühl, gebraucht zu werden, besänftigte ihn sofort. Meistens waren die Aufgaben, die der Alte dann für Fedja machte, falsch, und Fedja gab sie auch nicht in der Schule ab … aber wer wußte das?
Im Zimmer blieb es weiterhin still. Großvater rührte sich nicht. Betroffen sahen sich alle an. In Arkadijs Augen schossen plötzlich Tränen.
»Er ist dahin …«, sagte er leise mit schwankender Stimme. »Liebe Familie … Großväterchen wird nie wieder auf den Boden spucken …«
»Auch diesmal wird er uns zum Narren halten«, sagte die Volkowa und faltete die Hände über der Schürze. »Glaubt bloß nicht, daß er so still und ohne Erdbeben abgeht. Er liegt im Bett und grinst vor sich hin und weidet sich an unserer Not. He! Aufwachen, Alter! Los! Aus dem Bett!« Sie hieb gegen die Tür, und wenn Iwan Feodorowitsch wirklich ein Späßchen gemacht hatte, spätestens jetzt mußte er wie eine Rakete aus dem Bett fahren und sich auf seine Schwiegertochter stürzen. Aber nichts geschah. Die Tür blieb verschlossen.
»Laßt uns beten«, sagte Volkow erschüttert. »Leute, ich bin Kommunist, ich gehe nie in eine Kirche, seit vierzig Jahren nicht mehr, ich könnte den Popen ihre Bärte stutzen … aber Iwan Feodorowitsch war ein gläubiger Mensch, auch wenn man es ihm nie glauben wollte.«
Sie standen vor der Tür, die Volkows, Njuscha und Bodmar, und verharrten eine Minute still mit gefalteten Händen. Dann unterbrach die Volkowa das Schweigen.
»Auch das ist wieder so ein Streich von ihm«, klagte sie. »Stirbt dahin zu einer Zeit, wo's genau nicht hinpaßt. Der Sommer kommt, wir brauchen neue Kleidung, an das Meer wollten wir fahren … alles vorbei. Für die Kosten eines Sarges hätten Fedja und Lisawetha (das war die Zweitälteste Tochter) zwei Wochen Erholung gehabt. Immer haut der Alte alles in Scherben!«
Mit trauriger Miene, unterbrochen von Schluchzen, denn Arkadij liebte seinen Vater wirklich, brach
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