Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Schlag, der alle Hirne lähmte. Das war die große Säule, in deren Schatten Jelena Antonowna unbehindert blühen konnte. Marschall Schemkow. Jelena nannte ihn Onkelchen. Er war der Bruder ihrer Mutter, und er hatte sie großgezogen, als Nikolai Jefimowitsch Dobronin, der große Pianist und Jelenas Vater, in deutscher Gefangenschaft starb.
    »Nehmen Sie Ihren Bodmar mit«, sagte Tumow schwach. »Machen Sie mit ihm, was Sie wollen. Ich habe ihn nie gesehen –«
    Eberhard Bodmar war schon wieder in seinem Zimmer, als diese Unterredung beendet war. Er hatte bei dem Etagenkellner zweimal Frühstück bestellt. »Mit Krimsekt. Staunen Sie nicht, Brüderchen … auch am Morgen schmeckt er. Es muß etwas gefeiert werden.«
    So kam es, daß Jelena das Zimmer 689 betrat und mit einem Glas Champagner begrüßt wurde. Sie warf die Tür mit Schwung zu und blieb stehen.
    »Sie wissen wohl gar nicht, wie ernst Ihre Lage war?« sagte sie. »Sie kennen Tumow nicht.«
    »Deshalb dieses Glas, Jelena. Ich trinke auf den Tag, der so erlebnisreich begonnen hat. Ich trinke auf Jelena Antonowna, die aussieht wie eine Rose aus Kasan. Ich trinke auf das Glück, Sie wiederzusehen. Ich trinke auf unsere schöne, herrliche, unvergleichliche Welt.« Er hielt ihr das andere Glas hin, und Jelena nahm es. Ihre Finger waren kalt vor Erregung.
    »Stoßen Sie an, Jelena –«
    Sie nickte wortlos, die Gläser klangen aneinander. Mit einem Zug trank Bodmar sein Glas leer, hob es dann hoch und warf es über seine Schulter gegen die Wand. Mit hellem Ton, wie ein Aufschrei, zerschellte es dort.
    »Man kann Sie wirklich nicht allein lassen«, sagte Jelena und stellte ihr Glas auf einen Seitentisch.
    »Ich hatte keinen Zeugen, daß ich wirklich im Bett lag.« Bodmar hob beide Arme. »Es war ein grober Fehler von Ihnen, Jelena, nicht bei mir geschlafen zu haben –«
    »Geht es schon wieder los?« Sie gab dem Stuhl, der vor ihr stand, einen Tritt, er kippte um und krachte Bodmar gegen das Schienbein. Mit schmerzverzerrtem Gesicht humpelte er zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen.
    »Guten Morgen, mein Täubchen –«, sagte er danach.
    Jelena verließ das Zimmer, aber das Sektglas nahm sie mit.
    Auf dem Flur herrschte ein wüstes Durcheinander … Tumow ließ die anderen Gäste vorführen und verhörte sie. Auch der Engländer mit seinen Whiskyflaschen stand im Bademantel vor seiner Zimmertür und brüllte nach seinem englischen Botschafter. Kellner, Boys und Polizisten hatten vollauf zu tun, alle zu beruhigen. Ein Zinksarg wurde aus dem Lastenfahrstuhl geschoben; die letzte Fahrt Gorlowkas begann.
    Jelena fuhr mit dem Lift zur obersten Etage. Dort konnte man auf eine Plattform treten und das ganze Moskau überblicken. Ein Bild, das Auge und Herz nie vergaßen. Ein Blick über das Schicksal dieser Welt.
    Hier war Jelena um diese frühe Stunde noch allein. Nur der Wind war da, dieser Moskauer Wind, der von den Wäldern der Taiga erzählt, von dem Felsenmeer des Urals, von den schweigenden Weiten der Tundra. Er pfiff um die Zuckerbäckerfassade, röhrte in den Türmchen, jaulte um die Balkone und sang wie ein Kosak auf der meterhohen Fläche des roten Sterns, der die höchste Spitze des Mittelturms schmückte. Er zerrte an den kurzen Haaren Jelenas, als sie sich an die Brüstung lehnte, das Glas hinaus in die Luft hielt und es dann fallen ließ. Irgendwo in der Tiefe zerschellte es zu glitzerndem Pulver.
    »Ich liebe ihn –«, sagte Jelena Antonowna. »Ich kann es nicht ändern … ich liebe ihn …«
    *
    Man sollte es nicht verschweigen: Der Mörder des armen Gorlowka wurde nie entdeckt. Die Verhöre Tumows verliefen im Nichts wie Spucke im Wüstensand. Lediglich die Beschließerin Ustenjka wurde verhaftet, weil sie dreimal auf der Toilette gewesen war und die Aufsicht des Flurs für einige Minuten versäumt hatte. Sie kam nie wieder ins ›Ukraina‹ zurück. Bekannte erzählten später, man habe sie gesehen, unten am neuen Hafen der Moskwa. Sie schob Karren mit Mehlsäcken in ein Magazin.
    Drei Tage danach flog der Engländer zurück nach Prag und von dort nach London. Seine Whiskyflaschen waren leergetrunken, er hatte mit dem zuständigen Beamten über die Ausfuhr von bemaltem Holzspielzeug verhandelt, alle waren zufrieden gewesen und hatten die Freundschaft gelobt, trotz mancher Gegensätze.
    Mr. Phlebs, so hieß der Engländer, wurde nicht weiter belästigt. Es wäre auch nichts dabei herausgekommen, denn er hatte Gorlowkas alten Trick angewandt

Weitere Kostenlose Bücher