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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Antonowna«, sagte Hauptmann Iswolski müde und sah auf die Uhr. Ein Tag in diesem Steinkasten, während draußen der Frühling glänzte, war doppelt so lang. »Was haben Sie zu melden?«
    »Nichts, Genosse.« Jelena atmete erregt durch die Nase. Die Müdigkeit zerrte an ihren Lidern, sie hatte große Lust, sich auf den Schreibtisch zu legen, einfach zwischen die Papiere, und zu schlafen. »Morgen früh um halb neun fahren wir wie verabredet ab. Wir werden zwischen Tula und Orel zu Mittag essen. Bodmar ist ein schneller Fahrer.«
    »Verhindern Sie, daß er die Geschwindigkeitsbegrenzungen übertritt. Er soll völlig unbelästigt im Land herumfahren. Er soll immer das Gefühl völliger Freiheit haben.« Hauptmann Iswolski holte aus seinem Schreibtisch eine kleine Flasche Wodka – nur fünfzig Gramm, Genossen! – und goß Jelena ein Gläschen ein. Sie trank einen kleinen Schluck, aber auch er half nicht, ihr tobendes Innere zu beruhigen.
    »Welchen Eindruck macht dieser Bodmar?« fragte Iswolski und kippte seinen Wodka mit einem Seufzer hinunter.
    »Wie soll man das beschreiben?« Jelena hob die schönen Schultern. »Gar keinen. Ein Alltagsmensch. Farblos wie eine Rübe.«
    Warum lüge ich, dachte sie gleichzeitig. Jelena Antonowna, tritt vor und sage, was du sagen wolltest: Nein, ich begleite ihn nicht. Ich will ihn nicht wiedersehen. Nie mehr! Er ist ein Ekel, ein Miststück, ein widerlicher Revanchist, ein eitler Pfau, ein geiler Teufel. Es fielen ihr nicht genug Worte ein, ihn gründlich zu beschimpfen … aber sie sprach auch nicht eines aus. Ihre Lippen preßten sich zusammen wie eine Schleuse.
    »Brauchen Sie noch etwas?« fragte Iswolski und goß sich den zweiten Feierabendwodka ein. Im Dienst war das streng verboten … aber jetzt befand er sich außerhalb des Reglements. Es war acht Uhr abends.
    »Wie soll ich mich verhalten, wenn Bodmar den Zeitplan überschreitet?«
    »Meldung an uns. Das andere regeln wir von hier aus.«
    »Und wenn er militärische Objekte fotografiert?«
    »Das müssen Sie verhindern. Dazu fahren Sie ja mit.«
    »Weiß man, ob eine Brücke wichtig ist oder nicht?«
    »Brücken sind immer wichtig. Rufen Sie den Distriktvorsitzenden an, wenn so etwas vorkommen sollte. Wir werden dann von hier aus entscheiden.« Iswolski schloß die Flasche zurück in seinen Schreibtisch. »Es ist ein schöner Auftrag, Jelena Antonowna.«
    »Ein anstrengender, Genosse.«
    »Was ist nicht anstrengend?« Iswolski schob seine Uniformmütze auf den Kopf. »Sie haben Glück, Sie fahren durch das Land … ich muß hier sitzen und mich mit dämlichen Literaten herumschlagen. Grüßen Sie mir die Kirschgärten am Don, Jelena.«
    Das war gestern abend gewesen. Ein Abend voller Feigheit, voller Verkriechen wie ein geprügelter Hund. Ein Abend, an dem Jelena Antonowna sich in ihrer kleinen Wohnung auf der Rusakowskaja-Straße vor den Spiegel setzte, Lippenstift und Augenbrauenzupfer, Wimperntusche und Lidschattenpuder vor sich aufbaute und begann, ihr Gesicht westlich zu verwandeln.
    »Wie ein Clown sehe ich aus«, sagte sie in den Spiegel hinein und zwang sich, das neue Geschöpf, das ihr da entgegenblickte, zu verachten. »Wie Popow im Zirkus. Man sollte dich bespucken, du Maske!«
    Aber sie tat es nicht. Sie wischte die Schminke nicht ab … am Morgen erneuerte sie die ›Maske‹ sogar. Und sie fand sich schöner als zuvor, als die Morgensonne über ihr verwandeltes Gesicht glitt.
    Nun stand sie vor Major Tumow, links neben sich einen nackten Toten, und sprühte vor Zorn. Tumow schwamm in Rätseln und hörte sich geduldig an, was Jelena Antonowna ihm an den Kopf warf.
    »Idiotisch ist das!« schrie sie hell. »Verhören! Mordverdacht! Nur weil er ein Deutscher ist, he? So schön zur Hand war er, nicht wahr? Haben Sie immer noch nichts gelernt, Major Tumow? Spukt in Ihrem Kopf noch immer die GPU? Haben Sie noch nicht gemerkt, daß der harte Kurs an den Abgrund führte? Lesen Sie keine Instruktionen?«
    O ja, sie war ein Teufelchen an diesem Morgen. Sie tobte und hämmerte mit Worten auf Tumow ein, bis dieser kleinlaut die Arme hob und fast schamhaft sagte: »Es fehlen Papiere und Mikrofilme –«
    »Dann suchen Sie sie, aber nicht bei Bodmar!« Jelena baute sich vor Tumow auf. Sie war zwei Köpfe kleiner, aber ihm war es, als drücke die Ausstrahlung ihrer Wut ihn an die Wand. »Sie werden Schwierigkeiten bekommen, Boris Grigorjewitsch, wenn ich den Vorfall an Marschall Schemkow melde.«
    Das war es. Das war der

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