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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Njuscha im Sattel auf und blickte über Fluß und Steppe, blähte die zarten Nasenflügel und atmete den Honigduft aus den Gärten ein. Sie trug eine alte, verblichene blaue Männerhose mit einem breiten Ledergürtel, eine safrangelbe Bluse und einen rotgold gemusterten mongolischen Schal um den schlanken Hals. Gott allein wußte, wie dieser Schal an den Don gekommen war. Der Kaufmann Alewki, ein gerissener Bursche, von dem man flüsterte, er brenne irgendwo in den Steppenhügeln unter der Erde, damit man den Gestank nicht roch, heimlich Schnaps aus Getreide und Kartoffeln, hatte eines Tages diesen Schal an einem Nagel hängen. Njuscha kaufte ihn für drei Rubel – ein sündhaftes Geld – und Alewki verdiente dabei bestimmt zwei Rubel und drei Kopeken, dieser Gauner. »Das Tuch lag bei einer Sendung Röcke«, versicherte er. »Bestimmt ein Musterstück, zum Ansehen, zum Auswählen. Ich überlasse es dir, Njuscha, zu einem Vorzugspreis. Wer anders kann es tragen als du, mein weißes Schwälbchen …«
    Alewki hatte damit ausgesprochen, was alle im Dorf und in der weiteren Umgebung dachten: Njuscha Dimitrowna war ein hübsches Mädchen, so wohlgefällig anzuschauen, daß zwei Jahre lang die Burschen das Haus der Kolzows belagerten, sich benahmen wie balzende Auerhähne, Reiterspiele auf den Wiesen aufführten, ihre Stärke demonstrierten, miteinander rangen und rauften, Lieder vor dem Fenster Njuschas sangen und Blumengirlanden flochten. Den Kolzows wurde es zuviel, als drei Kosaken sich so schlugen, daß man sie ins Hospital von Kalatsch bringen mußte, wo sie vier Wochen wie die Mumien eingewickelt lagen und sich noch im Bett gegenseitig verfluchten.
    »Schluß!« sagte Dimitri Grigorjewitsch Kolzow, der Vater. »Entweder du heiratest einen von ihnen – am liebsten ist mir der Granja Nikolajewitsch Warwarink – oder du sagst ihnen allen, daß du als Jungfrau beerdigt werden willst. Vierundzwanzig bist du schon … soll ich auf Enkel warten, bis ich achtzig bin? Überleg es dir, Njuscha! Ab morgen werde ich alle Kerle von meinem Grund und Boden treiben wie tollwütige Füchse.«
    Das tat er auch, mit einer langen Peitsche, die man sonst braucht, um die Herden vor sich herzutreiben. Im Dorf aber wurde es bald bekannt: Njuscha wird nur einen heiraten, den Granja. Der Alte hat's befohlen. Von da an war Ruhe um das Kolzow-Haus … nur Granja Nikolajewitsch stellte sich regelmäßig ein, zu jeder freien Stunde, die er von der Sowchose ›2. Februar‹ entfliehen konnte. Er leitete dort als Vorarbeiter den Zentralstall der Milchkühe und die Bullenstation. Lächelnd saß er dann herum, glotzte Njuscha an, wenn sie am Herd bei den Kolzows stand und kochte oder die Stube fegte, Netze flickte oder Beeren einzuckerte, trank klares Wasser mit einem Schuß Honig und sprach sehr wenig. Seine Bewunderung für Njuscha war grenzenlos; es war ihm oft unfaßbar, daß gerade er von dem alten Kolzow als Schwiegersohn ins Auge gefaßt worden war.
    Njuscha kümmerte sich wenig um ihn. Sie verrichtete ihre Arbeit, und wenn sie Lust hatte, sattelte sie ihr Pferdchen und trabte hinunter zum Fluß. Hier war sie oft stundenlang allein, saß am Ufer, lag im hohen Gras und träumte. Wer kannte schon ihre geheime Sehnsucht? Wer wußte, daß sie sich wegsehnte aus dem Dorf, aus der Gleichförmigkeit dieses Steppenlebens? Schuld daran waren die illustrierten Zeitschriften, die im ›Kultursaal‹ des Dorfes, in der Stolowaja, auslagen und die jeder durchlesen konnte. Da waren Bilder von riesigen Städten, von Theatern und Balletten, von weißen Schiffen auf dem Meer, von goldenem Sand, in dem man unter bunten Sonnenschirmen lag, von Mädchen, die mit flatternden Haaren auf Skiern hinter Motorbooten über das Wasser glitten. O Gott im Himmel, war die Welt schön – jenseits der Steppe, dort, wo der Don endete, dort hinten, wo Himmel und Land zusammenstießen und sich die Erde krümmte.
    So lag sie also manchmal am Ufer des Don, ließ den Wind über ihren schlanken Körper gleiten, band die langen blonden Haare mit einer aus Gras geflochtenen Schnur im Nacken zusammen und träumte.
    Granja Nikolajewitsch Warwarink hockte dann irgendwo in ihrer Nähe im Schilf, betrachtete sie mit hungrigen Blicken und seufzte tief wie ein alter Blasebalg.
    An diesem Morgen nun hatte Granja Nikolajewitsch frei. Er hatte die ganze Nacht durchgearbeitet, sieben Kühe hatten gekalbt, und es war eine schwere Arbeit gewesen. Selbst die Kühe degenerierten … früher

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