Liebe am Don
Stroganoffs. Es war fast wie ein Märchen, daran zu denken, daß einige Werst entfernt sich ein Leben nach den Gesetzen eines Lenin vollzog.
Talinkow schien diese Gedanken auf Bodmars Stirn zu lesen.
»Ich habe alles unverändert gelassen. Vor mir wohnte hier ein Poet. Ein Dichter, Genossen. Letzter Sproß einer alten Adelsfamilie. Er starb an Schwindsucht, völlig degeneriert. Ich habe hier nichts verändert, um es als eine Art Museum zu lassen: So lebten die Ausbeuter des Volkes! Ein Mahnmal ist es!«
Talinkow schien sich wohl zu fühlen in diesem Museum widerlicher Bourgeoisie. Er lebte in diesem Waldschlößchen nicht anders als die Ahnen, die würdevoll von den Wänden blickten, nur trug er den roten Stern im Knopfloch.
Die Zimmer Jelenas und Bodmars befanden sich in einem Anbau. Von einem langen Flur gingen hier links und rechts die Gastzimmer ab, eine imponierende Zahl. Bodmar zählte zehn Türen, fünf auf jeder Seite. Es waren große Zimmer mit schweren Samtvorhängen und einem riesigen Bett als beherrschendes Möbel.
»Ich liebe Betten«, erklärte Talinkow genüßlich. Er stand hinter Jelena und atmete ihren Duft ein. Dabei blickte er ihr über die Schulter in die Bluse und betrachtete den Ansatz der Brüste. Das fiel auf seine Seele wie ein warmer Regen auf ein Rosenbeet. »Im Bett ist der Mensch am glücklichsten. Ich kenne kein wohligeres Gefühl, als mich nach des Tages Last auszustrecken.« Er vermied es, von seinen lebenden Kopfkissen zu sprechen, aber er blinzelte Jelena zu. Ein Glück, daß sie es nicht bemerkte.
»Erholen Sie sich, Genossen«, sagte er, als er die Zimmer angewiesen hatte. »In einer Stunde läutet Grischa zum Essen. Am Ende des Flurs ist das Bad.«
Er lachte meckernd, wozu eigentlich gar kein Anlaß war, und trabte dann davon in den Haupttrakt der Datscha. Jelena und Bodmar waren allein.
»Ein merkwürdiger Mensch«, sagte sie. »Er muß verrückt sein.«
»Die Hauptsache ist, daß er uns seinen Werkstattwagen schickt und uns nach Tula bringt. Ich möchte nicht zu Fuß an den Don wandern.«
Sie schüttelte den Kopf und zeigte auf die Schlußtür des Flurs, das Badezimmer.
»Wer badet zuerst?«
»Ladies first –«
»Danke. Ich klopfe an deine Tür, wenn ich fertig bin.«
»Halt.« Bodmar hielt Jelena fest, ehe sie in ihr Zimmer schlüpfen konnte. »Warum hast du mich vor Talinkow als Fjodor Pawlowitsch bezeichnet?«
»Geht es ihn etwas an, daß du ein Deutscher bist?« Ihre Augen wurden wieder dunkel. Die Mundwinkel zuckten unmerklich.
»Du möchtest, daß ich ein Russe bin?«
»Warum fragst du? In einer Stunde läutet Grischa zum Essen –«
»Du hattest Angst, daß er mich als einen Deutschen erkennt … daß er den Mund darüber aufreißt, weil ein Deutscher eine Russin küßt … Plötzlich hattest du Angst. Ist das die Freiheit, die ihr so liebt?«
»Ich gehe jetzt baden.« Jelena riß sich von Bodmar los. Sie lief in ihr Zimmer und warf die Tür zu.
Warum fragst du das, dachte sie, als sie allein war und sich mit dem Rücken gegen die Tür preßte, als versuche Bodmar sie von außen aufzudrücken. Warum willst du mich zerstören … meine Weltanschauung, meine Erziehung, mein ganzes bisheriges Leben?
Warum zwingst du mich, anders zu sein, als ich sein will? In eine Burg muß ich mich zurückziehen, mit vielen kleinen Schießscharten, durch die ich dich sehen kann, aber die für dich unüberwindlich sind. Vor mir selbst muß ich mich abschließen, mich schützen vor dem Verrat an mir. Begreifst du das überhaupt? Eine Sowjetrussin liebt einen Westdeutschen! Eine Agentin des KGB entdeckt ihr Herz! Hast du die Wolga schon den Berg hinauf fließen sehen?
Sie lauschte mit angehaltenem Atem. Eberhard Bodmar ging in sein Zimmer und zog die Tür zu. Von draußen drang das Gebell einer Hundemeute aus irgendeinem hinter dem Haus liegenden Zwinger. Talinkow hielt sich vierzehn Hetzhunde. Sie waren so dressiert, daß sie ihm das Wild genau vor den Sessel trieben, in dem er mit seinem Gewehr saß. Ein Schützenfest im Polsterstuhl. Es war ganz nach Talinkows Geschmack.
Jelena Antonowna badete. Sie ließ sich gründlich vom Wasser umrauschen, das aus zwei Brausen über ihren weißen, schlanken Körper strömte. Sie drehte sich in den prasselnden Strahlen, dehnte ihren Leib und strich mit beiden Händen über ihren Körper, vom Nacken bis zu den Fesseln, und es war keine Stelle, die sie ausließ.
Dann wartete sie, stand mit hängenden Armen unter den Wasserstrahlen
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