Liebe am Don
Gesellschaft. Auf meiner Datscha. Gleich in der Nähe liegt sie. Sehen Sie dort den Seitenweg? Dort hinein und drei Werst tief im Wald – da liegt sie. Ein zauberhafter Platz, sage ich Ihnen. Die Rehe und Füchse kommen bis an die Fenster. Ich möchte Sie einladen, meine Gäste zu sein …«
Bodmar zögerte. Das mondhafte Gesicht Talinkows gefiel ihm nicht. Es reizte zum Hineinschlagen, und die kleinen, flinken Kirgisenaugen wanderten während des Sprechens immer wieder hinüber zu Jelena Antonowna, die zu dem im Graben liegenden Wagen gegangenen war und sich dagegenlehnte.
Sie hatte den Rauschzustand, in den sie der lange Kuß versetzt hatte, noch nicht überwunden. Ihr Blut kochte, ihr Herz war wie eine Faust, die gegen die Rippen boxte. So aufgewühlt war ihre bisher unterdrückte Wildheit, daß sie sich die Kleider vom Leibe hätte reißen können, um sich nackt vor Bodmar auf die Straße zu werfen, genauso wie es Talinkow vorhin gebrüllt hatte.
Eine Katastrophe wird es geben, dachte sie und preßte die Hände flach auf ihre Brüste. Sie drehte sich dabei herum, um ihre Erschütterung nicht Talinkow zu zeigen. Ich soll ihn begleiten, ich soll ihn bewachen, ich soll Berichte über ihn schreiben, und zu allem ist er auch noch ein Deutscher … wo soll das hinführen? Wir werden uns lieben, aber es wird nie eine Zukunft für uns geben. Er wird zurückfliegen nach Westdeutschland, in jene kapitalistische Welt, die wir verachten, und es wird nicht helfen, sich einzureden: Er ist anders als die anderen. Er ist die neue Generation, die sich über alle Grenzen versteht. Was sollen die Illusionen? Er wird weit weg im Westen sein, und er wird nie wiederkommen. Es ist eine Liebe, die sterben muß, während sie gerade blüht.
»Ich schlage vor, Sie schleppen uns nach Malachowo. Vielleicht ist der Monteur von einer guten Stunde gesegnet.« Bodmar griff in die Tasche und bot Talinkow eine Papyrossa an. Anton Antonowitsch dankte. Er rauchte nicht, er soff lieber und legte seinen Kugelkopf in den warmen, wolligen Schoß der Weiber. Das war für ihn ein exquisites Vergnügen … er konnte darüber einschlafen und träumen wie ein Hund.
»Der Mechaniker ist ein echter Idiot!« Talinkow wedelte durch die warme Luft und schielte wieder lüstern nach Jelena. »Er rettet keine Wagen, er zerlegt sie! Überhaupt Malachowo. Man fährt durch dieses Nest hindurch … mehr ist es nicht wert. Hören Sie zu, Genosse. Sie kommen zu mir auf die Datscha, wir trinken ein paar Gläschen Wodka zusammen, ich telefoniere mit Tula, und am nächsten Morgen holt Sie mein Werkswagen ab. Ich bin Direktor der Sockenwirkerei, wir haben eine eigene Werkstatt für unsere Autos. Ist das ein Vorschlag, Genosse?«
Bodmar nickte. Es blieb ihm keine andere Wahl. Er winkte Jelena zu, und sie kam zu ihnen herüber. Ein schlankes Weibchen mit viel Versprechungen in der Bluse. Talinkow, ein Kenner dieser Dinge, machte eine Verbeugung und benahm sich wie in der Oper von Orel, dem berühmten Turgenjew-Theater, bevor man aus dem Foyer in den Zuschauerraum geht. Man gibt sich die Hand und plaudert galant, als sei man einer dieser verfluchten Bourgeois im Westen.
»Es ist mir eine Ehre«, sagte Talinkow und schmatzte mit den Lippen. »Mein Haus wird neuen Glanz bekommen. An die Arbeit, Freunde! Hängen wir Ihren Wagen an den meinen –«
Es zeigte sich, daß Talinkow ein guter Kommandierer war. Die Arbeit taten Bodmar und Jelena. Er rief: »Drücken! Stemmen! Das ist ja furchtbar! Sie sehen kräftiger aus, als Sie sind, Genosse! Das machen meine Strumpfwirker nach zehn Stunden Arbeit mit der linken Hand! Nun drücken Sie schon …« Er selbst aber saß dick und fett in seinem schweren Wolga, ließ den Motor aufheulen und ruckte an dem Seil, das Bodmar um die Stoßstange seines Moskwitsch gebunden hatte.
Mühsam war's, ohne Zweifel, Bodmar lief der Schweiß übers Gesicht, er drückte mit den Schultern und stemmte die Beine in die Erde wie eine Ramme. Neben ihm keuchte Jelena, den Kopf gesenkt, das Gesicht nahe am Kotflügel, als wolle sie das Blech küssen.
»Hoj!« schrie Talinkow, der Fettkloß, munter und gab wieder Gas. »Hoj! Hoj! Er bewegt sich! Er rührt sich, Freunde! Er kommt aus dem Graben! Laßt nicht nach, Genossen! Es gibt nichts auf der Welt, was wir nicht mit Energie schaffen. Hoj!«
Tatsächlich, der Wagen bewegte sich aus dem Graben hinaus auf die glatte Straße. Mit zitternden Knien lehnte sich Jelena gegen den Kühler und japste nach Luft.
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