Liebe am Don
öffnete eine Büchse und goß Nudeln mit Rindfleisch in einen Topf. »Jelena, rühr gut um. Nudeln brennen leicht an.«
»Du wirst staunen … ich habe einen Kochkurs mitgemacht.« Sie setzte sich auf den Klapphocker und rührte in der gluckernden Suppe. Der Zwiespalt in ihr war nach dem Brief noch größer geworden. Was ist er für ein Mensch, dachte sie wieder. Er küßt mich, und dann ist er mir wieder fremd. Er hält mich in seinen Armen … aber dann läßt er mich nachts allein. Er spricht mit mir wie zu einer Geliebten, aber er behandelt mich wie seine Schwester. Ist das alles nur Höflichkeit? O Gott, ich liebe ihn, ich liebe ihn … aber ich werde nie meinen Stolz verlieren und es ihm zeigen. Er soll mich erobern, wenn er mich besitzen will.
Nach dem Essen kam eine kritische Phase: Bodmar legte den breiten Doppelschlafsack aus. Es war ein schöner Schlafsack, aus Nylon, gepolstert und abgesteppt, mit einem langen Reißverschluß, der die Insassen zu Mumien werden ließ. Jelena blickte Bodmar kurz an und schüttelte energisch den Kopf.
»Ich schlafe im Auto«, sagte sie.
»Warum? Im Schlafsack ist es gemütlich warm und mollig.«
»Hat er eine Zwischenwand?«
»Nein.«
»Na also.« Jelena bückte sich, sah in den Schlafsack hinein und ärgerte sich über das Grinsen Bodmars. Mit einem Ruck fuhr sie herum, als Bodmar sich auszuziehen begann. »Gute Nacht«, sagte sie mit belegter Stimme. »Autopolster und eine Decke sind wärmer –« Am Zelteingang blieb sie noch einmal stehen, drehte sich aber nicht mehr um. Bodmar lächelte, er stieg gerade in seinen Trainingsanzug. »Im Westen mag es üblich sein, daß ein Mädchen sich sofort mit einem Mann ins Zelt legt … in der Sowjetunion nicht. Wir sind nicht so dekadent. Gute Nacht!«
»Gute Nacht, Jelena Antonowna.«
Der Zelteingang schwappte zu. Über die Wiese hörte er ihre Schritte. Ein schmatzendes Geräusch, die Feuchtigkeit klebte an den hohen Gräsern.
Nach einer Stunde war Jelena wieder da. Bodmar lag zufrieden in seinem warmen Schlafsack und studierte die Autokarte.
»Schon ausgeschlafen?« fragte er.
»Du bist ein Ekel!« fauchte sie.
Jelena hatte sich umgezogen. Sie trug jetzt Hosen, einen dicken Pullover und um den Schultern eine Wolldecke. In ihrem vor Kälte geröteten Gesicht lag bissiger Trotz.
»Rück zur Seite.«
»Bitte.«
Sie kroch in den warmen Schlafsack, dick vermummt wie sie war, und drückte Bodmar damit an den äußersten Rand. Er mußte gerade liegen wie in strammer Haltung, um überhaupt noch Platz zu haben. An ein Bewegen war nicht mehr zu denken. Resignierend warf er die Autokarte irgendwohin ins Zelt, nachdem er die kleine Gaslaterne gelöscht hatte.
»Das wird ein Schwitzbad geben«, sagte er.
»Ich schwitze nie.«
»Man kriecht nicht in einen Schlafsack, angezogen wie zu einer Nordpolwanderung.«
»Ich doch! Gute Nacht.«
»Das glaube ich kaum. In einer Stunde dampfen wir.«
»Das ist gesund.«
So lagen sie nebeneinander, jeder an den äußersten Rand des Schlafsackes gedrückt, zwischen sich als Schutz und Wall die dicke Wolldecke, die Jelena zu einer Rolle gedreht hatte. Dahinter fühlte sie sich sicher … und wartete doch darauf, daß Bodmar die Decke wegziehen würde, ohne große Worte, mit der Selbstverständlichkeit männlicher Überlegenheit.
Eine Stunde lang taten beide so, als schliefen sie bereits. Sie knieten gleichmäßig und tief und lauschten dabei auf den Atem des anderen. Die Wärme im Schlafsack wuchs und wuchs und wurde langsam unerträglich. Was die Körper an Hitze ausströmten, blieb in ihm gefangen, verdichtete sich und hüllte die Leiber wie mit einer heißen Wolke ein.
Jelena rührte sich nicht. Sie biß die Zähne zusammen und regte sich auch nicht, als ihr der Schweiß aus den Poren brach und in dünnen Bächen über das Gesicht lief.
Eberhard Bodmar wartete noch ein paar Minuten, dann griff er vorsichtig zum Reißverschluß, ratschte ihn zur Hälfte auf, zog ganz vorsichtig die Deckenrolle heraus und schob sie weg. Dann schloß er den Reißverschluß wieder und dehnte sich in dem gewonnenen Platz, drehte sich auf die Seite und tastete nach Jelena Antonowna.
Jelenas Atem ging ruhig und tief wie bisher. Eine große Leistung war das, denn ihr Herz schlug bis zum Hals, ihre Nerven zuckten vor Spannung, und ihre Muskeln verkrampften sich.
Was wird jetzt geschehen? Wird er über mich herfallen wie ein Bär über einen hohlen Stamm mit Honig? Werde ich mich wehren?
Bodmar beugte
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