Liebe am Don
sich über das Gesicht Jelenas, zärtlich strich seine Hand darüber, dann holte er ein Taschentuch aus seinem Trainingsanzug, wischte ihr damit ganz vorsichtig den Schweiß von der Stirn, aus den Augen, von den Lippen, und dann küßte er sie, nur ein Hauch war's, aber Jelena spürte den Kuß wie eine Flamme, die ihren Körper von den Zehen bis zu den Haarspitzen durchglühte.
Sie seufzte leise, so vorsichtig, als könne es Ausdruck eines schönen Traumes sein; sie drehte sich ein wenig zu Bodmar hin und legte die Hände ganz langsam unter ihren Nacken.
Ich liebe dich, dachte sie glückselig. Ich liebe dich.
Ich bin bereit, mein ganzes Rußland wegzuwerfen für dich –
Es war der Fehler Bodmars, dies weder zu spüren, noch zu ahnen. Bewegungslos betrachtete er Jelenas Gesicht, das in der Dunkelheit zu einem hellen Fleck zerfloß und so klein und zart war wie eine blasse Rose. Ganz vorsichtig, um sie nicht zu wecken, legte er seine Hand auf ihre Brust, und als Jelena keine Bewegung zeigte, ließ er die Hand unter den Pullover gleiten, umfaßte ihre Brust und drückte seinen Kopf neben ihren nach frischem Heu duftenden Haaren in das gepolsterte Kopfstück des Schlafsackes. So schlief er ein.
Jelena atmete kaum. Mit weiten Augen starrte sie an das wehende Zeltdach, hörte die Flüsse rauschen, den Wind in den Uferweiden jammern, und dann begann es zu regnen, die Tropfen trommelten auf die Leinwand, es roch nach Sumpf und Fäulnis.
Sie rührte sich nicht, damit seine Hand auf ihrer Brust blieb, und als er sich bewegte und abglitt, ergriff sie seine Hand und legte sie zurück auf ihre Brust.
Es war eine traurige Liebe, aber sie war trotzdem schön.
Sie war so herrlich, weil sie die Hoffnung auf Erfüllung offenließ, weil der wilde, heiße Sturm noch kam und sich ankündigte durch den zärtlichen, unbewußten Druck seiner Finger auf ihrer Brust.
*
Am frühen Morgen wurden sie unsanft geweckt. Eine Stimme brüllte sie aus dem Schlaf. Sie schreckten hoch und sahen zwei Milizbeamte vor dem Zelt stehen. Mit starken Taschenlampen leuchteten sie Bodmar und Jelena an. Draußen regnete es noch immer, ein widerlicher, feiner Regen, der die Erde aufweichte. Es war ein grauer, dunkler Morgen, und das Land sah häßlich aus.
»Aufstehen!« kommandierte einer der Milizer. »Was ist das für eine Art? Einfach sich auf eine Wiese legen! Wissen Sie nicht, Genossen, daß es in Orel einen öffentlichen Zeltplatz gibt?«
»Geöffnet erst ab 1. Juni. Und wir haben heute Anfang Mai«, antwortete Jelena Antonowna. Sie setzte sich und zog den hochgerutschten Pullover herunter. Die Polizisten registrierten das stumm. »Was wollen Sie von uns?«
»Mitkommen!« kommandierte der eine Uniformierte kurz.
»Ich bin Jelena Antonowna Dobronina von ›Intourist‹.« Sie schälte sich aus dem Schlafsack und baute sich vor den beiden Polizisten auf. Die Hände stemmte sie in die Seiten wie eine Bäuerin und zog die Schultern hoch. »Ich reise durch das Land mit Sondervollmachten. Wenn ich hier zelten will, dann will ich das, ist das klar, Genossen? Wenn Ihnen das nicht gefällt, fragen Sie in Moskau an!«
Die beiden Polizisten sahen sich kurz an. »Und wer ist er?«
»Eberhard Bodmar, ein deutscher Journalist.«
Die beiden Beamten gingen aus dem Zelt, man hörte sie draußen miteinander flüstern, dann kamen sie zurück, anscheinend waren sie zu einer Lösung des Problems gekommen.
»Ihre Angaben müssen nachgeprüft werden«, sagte der eine Polizist und winkte Bodmar zu, der noch im Schlafsack lag. »Aufstehen und mitkommen!«
Während Bodmar sich anzog, betrachteten die Beamten die Campingausrüstung, bückten sich dann, betasteten den Nylonschlafsack und gaben sich alle Mühe, ihre Verwunderung nicht zu zeigen. Dann rannten Bodmar, Jelena und ein Polizist über die Wiese und den Hang hinauf zum Wagen, während der zweite Milizer im Zelt blieb und es bewachte.
In dem schwarzen Moskwitsch hatten über Nacht die Teufel gehaust. Das gesamte Gepäck war durchwühlt, die Koffer aufgebrochen, der Inhalt auf den Boden geschüttet. Bodmar ahnte Furchtbares. Er warf alles hinaus auf die Straße, klappte die Sitze um, durchsuchte den Kofferraum.
»Geklaut!« sagte er dann. »Die gesamte Kameraausrüstung ist geklaut! Und das in einem Land, das für seine Gastfreundschaft berühmt ist!«
»Keine politischen Reden, bitte!« sagte der Polizist scharf. »Sie können alles auf der Wache zu Protokoll geben!«
»Zu Protokoll! Bekomme ich dort
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