Liebe am Don
meine Kameras wieder? Der Wagen ist aufgebrochen worden!« schrie Bodmar. »Sie müssen etwas unternehmen.«
»Das tun wir. Kommen Sie mit!«
»Ist denn so etwas möglich?« Bodmar knallte den Kofferraum zu. »Ich soll mit diesem Wagen in die Stadt fahren und dadurch die möglichen Fingerabdrücke verwischen?«
»Es gibt keine Abdrücke.« Jelenas Gesicht zuckte etwas. Sie sah aus wie ein geprügelter Engel. »Die Türen waren offen … als ich ins Zelt kam … ich habe sie nicht abgeschlossen … es war so kalt … Es – es ist meine Schuld –«
»O Gott! Und was nun? Was soll ich ohne Kameras? Wir können die Reise abbrechen und nach Moskau zurückfahren.«
»Unterhalten Sie sich auf der Wache weiter, Genossen!« sagte der Polizist böse. Der Regen durchnäßte ihn, vom Schirm seiner Mütze tropfte das Wasser über seine Brust. »Überschätzen Sie nicht meine Geduld –«
Im Polizeihauptquartier von Orel, einem Neubau im prunkvollen Stil der Stalin-Ära, empfing sie der Kommissar Valentin Nikiforowitsch Dubra, ein dürrer Mensch mit dem Aussehen eines Leberkranken. Er war höflich, bot Tee und Zigaretten an, las den Sonderausweis Bodmars sehr gründlich, bat um weitere Papiere, studierte sie, als müsse er jeden Buchstaben entziffern und sagte dann: »Genossin Dobronina, kommen Sie mal mit …«
In einem Nebenraum nahm Dubra eine Wanderung zwischen Fenster und Tür auf und umkreiste Jelena dreimal, ehe er weitersprach.
»Der Mann ist Deutscher.«
»Ja«, antwortete Jelena. Das Benehmen Dubras ließ auf eine heiße Auseinandersetzung schließen.
»Sie – haben mit ihm in einem Zelt geschlafen.«
»Ja.«
»Im selben Schlafsack.«
»Ja.«
»Körper an Körper.«
»Ja.«
»Zum Teufel mit Ihrem Ja, Genossin!« Dubra fuhr herum wie gestochen. »Finden Sie es richtig, mit einem Deutschen so enge Beziehungen anzuknüpfen?«
»Ist Schlafen im selben Schlafsack eine enge Beziehung?«
»Es kam zu körperlichen Berührungen. Meine Beamten haben gesehen, daß Sie Ihren Pullover herunterzogen. Warum wohl? Warum war er oben? Im Schlafsack? Erklären Sie mir das!«
»Ich liebe ihn –«, sagte Jelena laut.
»Den Deutschen! Eine Russin! Eine Angehörige der Kommunistischen Partei! Und Sie sagen das so daher wie ein Fliegenwegwedeln! Das ist eine Schande, Genossin!«
»Ich habe Sie nicht aufgefordert, mit mir über Sittlichkeit zu reden.« Jelena ging zum Fenster und blickte hinaus auf die Straße. An den elektrischen Bahnen hingen Menschentrauben. Es war noch früher Morgen, die Arbeiter fuhren zu ihren Fabriken. »Können wir jetzt weiterfahren?«
»In einer Stunde. Erst muß ein Protokoll aufgesetzt werden, und Sie müssen es unterschreiben.« Kommissar Dubra wanderte wieder um Jelena herum. »Das unerlaubte Zelten kostet fünfzig Rubel Strafe.«
»Schicken Sie die Rechnung nach Moskau.« Jelena fuhr herum und faßte den verblüfften Dubra an den Rockaufschlägen. Ihre Augen funkelten. »Und nun hören Sie zu, Valentin Nikiforowitsch: Sie geben alle Fotoapparate heraus, die Ihre Polizisten weggenommen haben. Sie geben alle Filme wieder her, auch die belichteten. Und wenn ein Stück fehlt, nur ein Schräubchen … ich verspreche Ihnen einen Sturm aus Moskau, Genosse!«
»Wovon sprechen Sie?« Dubra riß sich aus Jelenas Fäusten los. »Von welchen Fotoapparaten?«
Jelena lächelte böse. Sie griff in ihre Jackentasche und hielt Dubra einen schmalen Ausweis vor. Es mußte eine Wunderwaffe sein, denn Dubras gelbes Gesicht wurde noch gelber, und seine Augen rollten vor Verlegenheit hin und her.
»Das wußte ich nicht …«, stotterte er. »Natürlich, alles kommt unversehrt zurück. Es war ein Irrtum, Genossin! Wer konnte das ahnen? Man erlebt so vieles …« Dann rannte er aus dem Zimmer, man hörte ihn irgendwo brüllen, Türen klappten, Schritte klapperten über den Gang. Jelena kehrte in das Vernehmungszimmer zurück, wo Bodmar allein vor dem Schreibtisch saß.
»Ein merkwürdiger Verein«, sagte Bodmar. »Plötzlich waren alle weg. Ich glaube, es gibt Schwierigkeiten, Jelena …«
Das war ein verzeihlicher Irrtum. Kaum zehn Minuten später stürmte Dubra ins Zimmer. Ein Polizist folgte ihm, in den Händen die vollständige Kameraausrüstung Bodmars.
»Was sagen Sie nun zu unserer Polizei?« schrie Dubra, glücklich über seinen Einfall. »Alles wieder zurück! Zwei Bauern hatten die Sachen geklaut, diese Hundesöhne! Waren auf dem Wege nach Spaskoje. Aber unsere Kontrollen, die sehen alles!
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