Liebe am Don
eine schwere, träge Regenwolke durch die Nacht. Als sie über dem Don stand, blitzte es aus ihr, und der Donner rollte dumpf über die Steppe.
Wie ein Symbol war's.
Vater Ifan Matwejewitsch Lukin, der Pope, läutete die Glocke und bat Gott um Gnade.
Er hat es besser als ich, dachte Kolzow düster und stampfte zurück ins Zimmer. Er hat jemanden, an den er sich halten kann.
Wenn ein Mädchen liebt, dann ist das schlimmer als das brausende Hochwasser des Don. Niemand hält es auf –
S IEBENTES K APITEL
Wenn ein Mann merkt, daß sein Liebchen einem anderen schöne Augen macht, dann beginnt es in ihm zu rumoren wie in einem Dampfkessel. Und wenn er gar ein Kosak, ist wie Granja Nikolajewitsch, ein heißblütiger Mensch, dem das Temperament durch die Adern rollt wie der Don in seinem Flußbett, dann kann man etwas erleben, bei Gott und allen Heiligen! Der alte Kolzow war machtlos dagegen, sosehr ihn auch seine Frau Evtimia ermunterte, ihm dauernd zunickte und darauf wartete, daß man den heißlaufenden Granja endlich bremste.
Aber das war nicht so einfach. Granja beobachtete Njuscha eine ganze Weile, wie sie den fremden Gast bediente, ihm die größten Fleischklöße hinschob, seinen Becher mit Kwass vollschenkte und gleichsam verzaubert an seinen Lippen hing, wenn er von Moskau erzählte. Auch Jelena Antonowna entging es nicht, daß Bodmar sich verwandelte. Sie hatte es gefürchtet, von dem Augenblick an, als Njuscha mit ihren nassen Kleidern auf dem nackten Körper vor ihnen im Ufersand des Don kniete: ein Bild, an dem kein Mann ruhigen Herzens vorbeisehen konnte.
»Wie heißen Sie eigentlich, Genosse?« fragte Granja und legte den Arm um Njuschas Taille. »Wie soll man Sie anreden?«
»Ich heiße Eberhard Bodmar, und ich bin ein Deutscher.«
Augenblicklich wurde es still um den Tisch. Der alte Kolzow wackelte mit der Nase, Evtimia bekam große, tellerrunde Augen, und Granja setzte mit zitternder Hand den Becher ab, aus dem er gerade getrunken hatte. Nur Njuscha zeigte keine Regung … der Blick ihrer blauen Augen liebkoste Bodmars Gesicht.
»Ein Deutscher –« sagte Granja gedehnt. »Sieh an! Und spricht wie ein Weißrusse! Was wollen Sie hier? Seit 1943 ist hier kein Deutscher mehr gewesen. Erklären Sie uns, Gospodin.«
»Ich besuche das Land, in dem mein Vater starb«, sagte Bodmar langsam. »Er war auch hier am Don … und bestimmt ist er auch durch Perjekopsskaja gefahren.«
»Neunundvierzig Häuser haben die Deutschen zerstört … das halbe Dorf sozusagen.« Dimitri Grigorjewitsch wischte sich über den Mund. »Im Garten des alten Sislew liegt noch eine halbe Kanone. Er weigert sich, sie wegzuschaffen und umkränzt sie wie ein Denkmal. Sie können sie besichtigen, Gospodin – aber ich weiß, das Sislew Sie verprügeln wird, denn die Deutschen brachten seinen einzigen Sohn in Stalingrad um.«
»Das ist ein halbes Menschenalter her, Väterchen«, sagte Njuscha. »Du kannst ihn nicht anklagen für etwas, das er nicht getan hat.«
»Das stimmt auch.« Der alte Kolzow starrte auf seine Fleischkügelchen und zerhackte sie mit der Gabel. Evtimia saß steif wie ein dicker, knorriger Ast auf der Bank in der ›schönen Ecke‹ unter dem Lenin-Bild, das sie nicht leiden konnte, und sah Bodmar mit verschleiertem Blick an. Jelena ahnte, was in den Kolzows vorging, aber als sie Granja ansah, erschrak sie.
Granjas Augen leuchteten wie die eines hungrigen Wolfes. Er hatte begonnen, Njuschas Brust zu streicheln, aber sie wollte von ihm abrücken und wehrte sich durch Drehen des Oberkörpers.
»Natürlich ist er nicht schuldig«, sagte Granja, als spreche er auf einer Versammlung der Kolchosbauern. »Man soll Frieden halten! Wann reisen Sie weiter, Genosse?«
»Ich weiß es noch nicht.« Bodmar nickte dem alten Kolzow freundlich zu, was diesen zu einem verzerrten Lächeln zwang. »Dimitri Grigorjewitsch war so freundlich, mich einzuladen, das Land am Don genau kennenzulernen. Ich glaube, ich bleibe noch etwas.«
»Stimmt das?« fragte Granja dunkel und starrte Kolzow an.
»Ja, es stimmt.« Dimitri Grigorjewitsch zerquetschte die Fleischklößchen zu Brei und aß sie dann, kalt wie sie jetzt waren, aus lauter Verzweiflung. »Es ist eine Ehre, Gäste aus dem Ausland zu haben, die unser Land objektiv sehen wollen und darüber berichten«, sagte er mit vollem Mund. »Es ist im Sinne der Partei, daß auch Menschen aus kapitalistischen Ländern uns besuchen. Sie können viel von uns lernen –« Er blickte
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