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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verbogen und verformt, ein bizarres Gewirr von Eisenteilen. Und doch fand er etwas, ganz hinten im Rumpf, unter einem Sitz.
    Einen Ring. Einen schmalen Goldreif, matt und glanzlos von den Jahren. Er rieb ihn an der Hose blank und kletterte wieder hinaus.
    »Ein Ehering!« rief Njuscha. »Wie kommt er in den Panzer?«
    »Wer kann das wissen?« Bodmar hielt ihn gegen die Sonne und las die Gravierung im Innern.
    Evi-19-5-39 – 15-6-39.
    Bodmar legte den Ring in seine Handfläche und hielt ihn Njuscha hin.
    »Seine Frau hieß Evi. Als er starb, war er drei Jahre verheiratet. Vielleicht hatten sie schon ein Kind.«
    Sie nahm den Ring, ganz vorsichtig, als sei er aus dünnem Glas, und plötzlich überzog ein heller Glanz ihr Gesicht, sie streifte ihn über und streckte die Hand Bodmar entgegen.
    »Er paßt!« rief sie. »Sieh nur … er paßt …«
    Sie drehte die Hand in der Sonne und ließ den Ring funkeln.
    »Gib ihn her«, sagte Bodmar stockend. »Nimm ihn wieder vom Finger. Du begreifst nicht, was an diesem Ring hängt. Gib ihn her –«
    »Nein! Er gefällt mir. Wie er leuchtet. Ein Trauring, Sascha …« Sie rannte um den Panzer herum, weil Bodmar nach ihr greifen wollte; sie lachte hell und hüpfte vor ihm her durch die Birken.
    Bodmar setzte ihr nach. Für ihn war dieser Ring mehr als ein Schmuckstück. An ihm hing ein schreckliches Schicksal. Er ahnte, daß er später einmal Evi finden würde, wenn er den Ring und die eingravierten Daten in den deutschen Zeitungen veröffentlichte.
    Ich habe die Stelle gesehen, wo Ihr Mann gefallen ist, konnte er dann sagen. Er wurde mit seinem Panzer abgeschossen. Er hat nicht viel gelitten … er war sofort tot. Und Evi, diese Frau irgendwo in Deutschland, würde diese Lüge glauben und ihm dankbar sein.
    Warum lügen, dachte er. Warum nicht die Wahrheit hinausschreien? Warum diese Humanität? Sie ist das Versteck von neuen Verbrechen. Nein. Das ganze Grauen sollte man ausbreiten. Hier ist der Ring, Evi … und dein Mann ist elend verreckt, verbrannt bei lebendigem Leib, gebrüllt hat er noch und die Hände in die Erde gekrallt … als Fackel ist er herumgekrochen, ein paar Meter über die Steppe am Don, ehe die Flammen ihn vollends auffraßen. So krepierte er für Führer und Vaterland, wie sie früher krepiert sind für Kaiser und Vaterland und krepieren werden für Volk und Vaterland. Immer werden sie krepieren, irgendwo in einer Steppe, an einem Fluß, in einem Wald, in einem Keller, in einem Graben, in einem Loch.
    »Gib den Ring zurück!« keuchte er und lief hinter Njuscha her durch den Birkenwald. »Njuscha … ich bitte dich … du weißt nicht, was er wert ist –«
    »Hol ihn dir!« rief Njuscha und tanzte um die Stämme. »Hol ihn dir, mein blondes Bärchen! Einen Trauring! Einen Trauring! Oh, wie er zu mir paßt … siehst du es?«
    Mit großen Sätzen holte er sie ein und sein Griff war so hart, daß sie stürzte und ihn im Fallen mit sich zog. Sie lachte noch und zugleich voller Angst vor dem ersten Mal.
    »Der Ring –« sagte sie stockend, als sie in seine weiten Augen sah. Sie hielt ihn Bodmar hin, und dann streichelte ihre Hand mit dem Ring sein Gesicht, glitt über seinen Nacken, den Rücken hinunter, die Schenkel entlang und zwischen ihre Körper und blieb dort liegen, wo sich ihre Leiber teilten. »Ein Hochzeitsring … Sascha«, sagte sie mit vergehender Stimme. »Es ist unsere Hochzeit … unsere Hochzeit … o Sascha … Sascha … Ich liebe dich … Ich … ich … o mein Sascha …«
    Sie dehnte sich unter ihm und bog sich ihm entgegen, und als sie nackt beieinander lagen, zwei zuckende, in der Sonne glänzende Körper, da weinte sie vor Glück und nicht vor den Schmerzen, die ihren Schoß durchzuckten.
    »Der Himmel ist auf uns gefallen«, flüsterte sie, während er sein Gesicht zwischen ihre harten Brüste drückte. »Der Himmel, Sascha … Der ganze Himmel …«
    *
    Jelena Antonowna schlich sich zurück zu ihrem Pferd und kletterte in den Sattel. Es war, als müsse sie Zentner hinaufstemmen, und als sie oben saß, die Zügel in den Händen hielt und der Gaul mit hängendem Kopf davontrottete, kam sie sich wie ein Leichnam vor, entseelt und schon in Fäulnis übergehend.
    Kolzow, der alte Esel, hatte Jelena allein nach Hause geschickt, nachdem er ihr seinen Arbeitsbereich als Dorfsowjet gezeigt hatte. Bevor er mit ihr ein Schnäpschen trinken konnte, kamen vier Bewohner von Perjekopsskaja mit dringenden Anliegen ins Parteihaus, beschwerten sich

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