Liebe am Don
kritisch den herumschwankenden Granja. Er wagte nicht, ihn mit Njuscha allein zu lassen, nicht einmal die paar Minuten, um den Kosakensäbel wieder ins Haus zu holen. Aber Njuscha nickte ihm zu.
»Er ist friedlich«, sagte sie. »Ich danke Ihnen, Nikolai Wassiljewitsch. Er ist wie ein Kessel mit kochendem Wasser … wenn man ihn vom Feuer nimmt, hört das Brodeln auf.«
Sadowjew war nicht ganz davon überzeugt, aber er lief doch, so schnell er konnte, aus dem Zimmer, um das Haus herum, riß den Säbel aus dem Boden und kehrte schnaufend zurück. Granja saß auf dem Bett und sah fürchterlich aus. Die Faust Sadowjews hatte seine Nase deformiert … schief saß sie ihm jetzt im Gesicht, dazu die verschrumpelte, verbrannte Haut, – man konnte Mitleid mit Granja haben, denn auch er war ja schließlich ein Mensch.
»Dem alten Babukin gehört er?« fragte Sadowjew und schwang den Säbel durch die Luft. »Von ihm stammt wohl auch der Gedanke mit dem Duell, was? Immer diese Idiotie der Greise! Überlaß es mir, Granja … ich bringe ihm den Säbel zurück und rasiere ihn damit. Und nun leg dich hin, ich rufe den Sanitäter, und friß dich nicht selbst auf vor Wut.« Er drehte sich zu Njuscha um, die noch immer, die Hände in den Pluderhosen, an der Wand stand. »Hinaus mit dir! Fang deinen vierbeinigen Teufel ein und reit zurück ins Dorf! Was willst du noch hier? Du hast einen Mann zerstört, einen Kosaken … das ist mehr, als eine Frau in ihrem Leben leisten sollte. Gib dich zufrieden damit …«
Njuscha zog den Kopf ein. Die Wildheit ihres Blickes ließ sogar Sadowjew erschauern, und er sagte sich im stillen: Gott verhüte, daß ich jemals an ein solches Weib gerate. Mit ihr im Bett, das wäre, als liebkoste ich den Teufel.
Granja hatte den Kopf gesenkt, als Njuscha noch einmal an ihn herantrat. Sie legte die Hand auf sein krauses Haar, und er zuckte zusammen, als habe ihn ein Blitz getroffen.
»Es tut mir leid, Granjuscha«, sagte sie leise. »Ich weiß, daß ich anders bin als andere Mädchen. Aber kann ich es ändern? Kann ich mein Herz austauschen? Ich weiß, wie sehr du mich liebst … aber wenn ich dich ansehe, bleibt es in mir kalt wie auf einer Eisscholle. Sollen wir uns bis an das Ende unserer Tage quälen?«
Granja nickte unter ihrer Hand und schwieg. An der Tür winkte Sadowjew sehr energisch. Njuscha gehorchte und verließ das Zimmer.
Draußen vor dem Haus tobte noch immer das Pferd. Nun umstanden vier Männer von der Küche das Tier, und ›Vögelchen‹ hatte alle Hufe voll zu tun, sich gegen sie zu wehren.
»Schlachtet das verdammte Vieh ab!« brüllte jemand und kam mit einem langen Messer herbeigelaufen. »Paßt auf, ich schleudere es ihm in die Brust!«
Njuscha warf das blonde Haar zurück und riß sich von Sadowjew los, der sie festhalten wollte. »Hat denn keiner eine Pistole bei sich?« schrie er über den Platz.
Njuscha ging mit langen, ruhigen Schritten auf das tobende Pferd zu. Dann pfiff sie … nicht besonders laut, aber es war ein zärtlicher Ton, der sogar den Männern in die Seele fuhr. Das Pferd, eben noch eine wahnsinnige Kreatur, stand mit zitternden Flanken still, spitzte die Ohren und drehte den Kopf. Noch einmal pfiff Njuscha, und da antwortete ›Vögelchen‹ mit einem hellen Wiehern, kam zu ihr wie ein Lämmchen, sie sprang in den Sattel, tätschelte dem Pferd den Hals und legte ihre linke Hand zwischen dessen Ohren.
»Mein Liebling!« sagte sie so laut, daß es alle hörten. »Nun flieg über die Steppe zu den Herden –«
Das Pferd verstand sie. Es streckte den Hals vor, und wie ein vom Orkan weggewirbeltes Stück raste es mit Njuscha aus dem Hof hinaus. Nur eine Staubwolke blieb zurück, die sich über Sadowjew und die Männer aus der Küche senkte.
»Diese Kosakenweiber«, sagte einer von ihnen und rieb sich den Sand aus den Augen. »Mir ist's ein Rätsel, wie ihre Männer sie im Bett bändigen können.«
»Die legen ihnen die Kandare vorher an«, lachte ein anderer.
»Und mit den Sporen gehen sie ins Bett«, schrie jemand. »Habt ihr nicht gesehen, daß alle Kosakenweiber am Hintern blaue Flecken haben?«
Lachend gingen alle zurück zur Küche. Auch Sadowjew entfernte sich. Endlich kam er dazu, sich im Magazin seine hundert Gramm Wodka zu holen. Er meinte, sie jetzt ehrlich verdient zu haben.
Anders erging es dem alten Popow. Er hatte endlich die Genossen in der Kantine überredet, mit ihm den vom Himmel gefallenen Kosakensäbel zu besichtigen. Zehn Mann hoch
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