Liebe am Don
Unklarheiten?«
»Ja.« Granjas geschwollene Nase wackelte. »Das Duell findet nicht statt.«
Wenn Evtimia in ihrem fortgeschrittenen Alter noch mit einem Kind gesegnet worden wäre, es hätte Kolzow nicht mehr erschüttert als dieser kurze Satz. Er ließ sich in den Lehnstuhl, den er sich als Bürgermeister vor zehn Jahren aus Wolgograd hatte kommen lassen, mit einem ächzenden Laut zurückfallen und starrte Granja entgeistert an. Dann hieb er mit beiden Fäusten auf den Tisch und brüllte heiser:
»Doch!«
»Nein. Es hat seinen Sinn verloren.« Granja würgte an den Worten wie eine genudelte Gans. »Njuscha war bei mir, sie hat mir alles erzählt. Sie hat ihre Unschuld dem Deutschen gegeben. Um was soll ich also noch kämpfen? Eingelegene Matratzen kann man bei jedem Trödler kaufen.«
Kolzows Stirnadern schwollen bedrohlich an. »Sie ist immerhin noch deine Braut, du feiger Hund!« schrie er. »Hast du keine Ehre im Leib?«
»Das sagst du mir?« Granja sprang auf. Er zitterte wieder. In seinem Kopf brauste es wie ein riesiger Bienenschwarm. »Ich soll ein Risiko eingehen um einer Sache willen, die gar nicht mehr vorhanden ist? Bin ich ein blinder Esel? Und selbst die schnuppern noch, was los ist!«
»Das Duell findet statt!« Kolzow sprang ebenfalls auf. Nur durch den Tisch getrennt, standen sie sich gegenüber und bliesen sich ihren Atem ins Gesicht. »Die Frauen backen schon die Festkuchen!«
»Dann sollen sie sie allein fressen!« schrie Granja. »Ich brauche kein Duell, um den verdammten Deutschen in die Hölle zu schicken. Das mache ich anders!«
»Du hast von Babukin den Säbel bekommen.«
»Er bekommt ihn zurück. Sadowjew bringt ihn bereits zu ihm.«
»Was hat Sadowjew damit zu tun?« heulte Kolzow. »Er soll sich um seine Brigade kümmern und aufpassen, daß die Samen in die Erde und nicht in die Weiber kommen! Granja Nikolajewitsch –« Er beugte sich vor, und sein dicker Schnurrbart zitterte heftig. »Man wird dich in Perjekopsskaja in Stücke reißen, wenn du am Sonntag nicht am Don-Ufer stehst.«
»Das ist deine Aufgabe, solches zu verhindern. Du bist der Bürgermeister. Du hast die Pflicht, für Ruhe zu sorgen. Ich verzichte auf Njuscha, ganz klar sage ich das. Aber auf den Deutschen nicht! Ihn hole ich mir, wann's mir paßt! Und noch eins, Genosse Kolzow: Wenn am Sonntag dein Dorf nicht Frieden hält, werde ich alles nach Wolgograd der Parteileitung melden.«
»Aha!« sagte Kolzow. »Aha! Du drohst mir?«
»Ich warne dich nur, Dimitri Grigorjewitsch. Njuscha hat mir die Augen geöffnet … ich war ein Trottel.«
»Du willst den Bezirkskommissar auf mich hetzen, was? Du Schwein, du rotziges!« Kolzow bekam kaum noch Atem vor Wut. »Er macht sich in die Hose, und wir sollen sie waschen? Nichts da, mein elender Wallach … du trittst am Sonntag mit dem Säbel an!«
»Nein!« sagte Granja fest.
»Doch!« brüllte Kolzow. »Bist du ein Kosakensohn, du Waschlappen? War dein Vater nicht bei den Rostower Kosaken? War er nicht in der ruhmreichen III. Schwadron in Schachty? Soll er sich im Grabe umdrehen und vor Scham in die Erde spucken?«
Granja senkte den Kopf. Die Erinnerung an seinen Vater übermannte ihn. Er kannte ihn nur flüchtig, so wie ein Kind sich erinnert. Als der Kosak Nikolai Jefimowitsch Warwarink durch eine deutsche Kugel fiel, spielte Granja am Ufer des Don im Schilf. Später erzählte man ihm, daß er ein tapferer Mann gewesen sei, der kurz vor seinem Tod noch einen deutschen Panzer erobert hatte.
»Warum erwähnen Sie meinen Vater, Dimitri Grigorjewitsch«, sagte Granja langsam. »Wenn er noch lebte, würde er so handeln wie ich.« Damit beugte er sich auch über den Tisch, nur zehn Zentimeter waren ihre Gesichter voneinander entfernt, und dann spuckte Granja Kolzow zwischen die Augen.
Kolzow war so erschüttert, daß er an keine Gegenmaßnahme dachte. Er ließ Granja ungehindert aus dem Zimmer gehen, hörte, wie draußen das Pferd weggaloppierte, und sank in seinen Lehnstuhl zurück.
Plötzlich waren auch die anderen Genossen wieder da und füllten das Zimmer. Wie die Mäuse krochen sie aus allen Löchern.
»Was wollte er?« fragte der Schuster Kalinew. »Er sah so finster aus.«
»Hast du ihm gesagt, daß ich ihm eine hölzerne Rose auf den Sarg stecke?« rief der Sargmacher Tutscharin.
»Was ist nun mit dem Duell? Findet es statt?«
Kolzow hob beide Hände und nickte wie eine Kinderpuppe.
»Es findet statt, Genossen. Am Sonntag. Es ändert sich
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