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Liebe auf Dauer

Titel: Liebe auf Dauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jellouschek
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durch« kennt, weil sein Verhalten viel stärker als das eines Menschen nach genetischen Programmen abläuft. Wenn wir uns dagegen auf einen Menschen einlassen, erschließen sich uns immer wieder neue Seiten an ihm, oder wir sehen Altes und Vertrautes in einem neuen Licht, weil wir tiefere Zusammenhänge zu verstehen beginnen. Beim Menschen schließen sich Vertraut-Werden und Immer-wieder-Neues-Entdecken nicht aus, jedenfalls dann nicht, wenn dieser Mensch um einen eigenen Individuationsprozess bemüht bleibt. Wenn wir meinen, den anderen »durch und durch« zu kennen, dann sind wir wahrscheinlich nicht sehr tief in seine Welt eingedrungen. Diese oberflächliche Vertrautheit kann freilich sehr wohl zu sexueller Lustlosigkeit beitragen, weil es sich dabei um jene »Möbelstück-Vertrautheit« handelt, die echtes Interesse am anderen erstickt. Wenn wir uns aber entschließen, uns tatsächlich auf den weiten Weg zum anderen zu machen, bleibt genügend »Fremdes« an ihm, um unsere Lust auf ihn immer wieder wachzurufen.

    Intimität verlangt doch Offenheit voreinander. Darf ich dann keine Geheimnisse mehr vor dem Partner/der Partnerin haben? Aber kann das dann nicht auch sehr destruktiv werden in einer Beziehung – wenn der andere »alles« von mir weiß?
    Keine Angst, der andere wird nie alles von mir wissen!Weiß ich denn »alles« von mir selber? Wenn ich in meiner Lebensführung nicht erstarre, bleibe ich immer auch auf einer Entdeckungsreise zu mir selbst, in einem ständig nach vorne offenen Prozess. Ich kann dem anderen gar nicht »alles« von mir mitteilen, und ich werde nie »alles« vom anderen wissen. Aber es gibt einer Beziehung eine ganz besondere Note, wenn wir vieles voneinander wissen und kennen, was nur wir wissen und kennen – und niemand anderer. Das verbindet auf eine besondere Weise, und darum ist auch sexuelle Ausschließlichkeit zwischen den Partnern von so großer Bedeutung: Da ist ein Bereich, den nur wir miteinander teilen!
    Außerdem haben wir ein sicheres Gespür dafür, was der andere von uns erfahren und kennen sollte, damit es nicht zwischen uns steht, sondern uns tiefer verbindet, und was wir doch auch besser für uns behalten sollen, jedenfallls vorübergehend oder aber auch für immer, um den anderen nicht unnötig zu ängstigen, zu sehr zu irritieren oder vor den Kopf zu stoßen. Der eine wird beispielsweise von einem anstehenden Gespräch, in dem sich viel für ihn zum Positiven oder Negativen entscheiden wird, seinem Partner nichts erzählen, bis es stattgefunden hat, weil er ihn vorab nicht unnötig ängstigen will, der andere wird gerade darüber mit seinem Partner sprechen, weil es dem Paar wichtig ist, auch in der Unsicherheit Bangen und Hoffen zu teilen. Wo hier die Grenze ist zwischen Offenheit, die Intimität zerstört, und Offenheit, die nötig ist für Intimität, das lässt sich nur im Einzelfall erspüren und entscheiden.

    Auch wenn man sexuelle Lebendigkeit durch alles, was oben gesagt wurde, fördern kann, ist es doch eine Tatsache, dass sie sich in vielen Langzeitbeziehungen verabschiedet. Tatsache ist auch, wenn einer von beiden oder beide dann Abwechslung suchen und fremdgehen, ist plötzlich die Leidenschaft wieder da wie am ersten Tag. Warum soll mansich dann in der Dauerbeziehung dermaßen abquälen? Viele vereinbaren dann zum Beispiel sexuelle Freizügigkeit, gestehen sich – in bestimmten Grenzen – sexuelle Abenteuer zu, gehen in Swingerclubs und so weiter. Wenn das auf gegenseitiger Vereinbarung beruht, gibt es keine Geheimniskrämerei, keine Lügen, keine Benachteiligung … Warum soll das nicht gehen, warum sollte das nicht sogar zuträglich sein?
    Die Antwort, die ich darauf gebe, beruht auf den Erfahrungen mit Paaren, die einen solchen Weg gegangen sind. Ihre Zahl ist daher sicher nicht repräsentativ, und es mag sein, dass es anderen Paaren ganz anders ergeht. Mit dieser Einschränkung zwei Anmerkungen dazu:
    Erstens ist zu überprüfen, ob solche Vereinbarungen wirklich auf Gegenseitigkeit beruhen. Oft drängt einer, meist der Mann, dazu, und der andere, meist die Frau, gibt nach, um nicht heimliches Fremdgehen seinerseits zu riskieren. Wenn sie es aber nur »seinetwegen« tut, ist dies eine Art Selbst-Vergewaltigung, die sich auf die Beziehung destruktiv auswirken muss.
    Zweitens: Vor allem der »Nachgebende«, aber manchmal auch beide, empfinden die sexuellen Ausflüge des anderen trotz Vereinbarung und Wechselseitigkeit nicht selten dennoch als

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