Liebe auf Dauer
Gedanke – durch Verletzungen entstehen »Soll-Stände« auf den »Beziehungskonten«, die ausgeglichen werden müssen, damit nicht einer zum immerwährenden Schuldner und der andere zu seinem Gläubiger wird. Oder mit einem anderen Bild ausgedrückt: Durch Verletzungen entsteht ein Oben-Unten-Gefälle zwischen den Partnern, das wieder ausbalanciert werden muss, damit diese sich erneut auf gleicher Höhe gegenüberstehen. Dies gilt generell in Beziehungen, die auf Dauer angelegt sind: Schieflagen oder Konto-Minus-Stände müssen immer wieder ausgeglichen werden. Oder ganz einfach ausgedrückt: Es muss in einer Beziehung aufs Ganze gesehen fair zugehen , damit die Liebe erhalten bleibt und sich erneuern kann. Wenn einer auf Dauer schlechter wegkommt als der andere, kann die größte Liebe daran kaputtgehen.
Wir sind heutzutage überzeugt von der Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Wir plädieren für ebenbürtige Beziehungen. Dies konkret umgesetzt heißt: Immer wieder Gegenseitigkeit und Ausgleich herstellen. Denn Gleichwertigkeit ist im konkreten Leben nicht eine feststehende Tatsache, sondern ein immerwährender Prozess. Das heißt: Mann und Frau geraten immer wieder in Schieflagen. Damit wird der Grundsatz der Ebenbürtigkeit verletzt, das lässt sich im täglichen Leben gar nicht ganz vermeiden. Also müssen solche Schieflagen immer wieder ausbalanciert werden. Gleichwertigkeit, Ebenbürtigkeit sind nicht einfach gegeben, sie werden nur im Prozess real, das heißt: Sie müssen immer wieder hergestellt werden. Um diesen konkreten Prozess geht es in diesem Kapitel.
Wann beginnt es, in einer Beziehung unfair zuzugehen?
An einigen Beispielen möchte ich deutlich machen, worum es hier geht.
Franz und Barbara sind am Anfang ihrer Ehe übereingekommen, dass sie sich die Aufgaben teilen: Sie bleibt in den ersten Jahren bei den Kindern und wird erst später wieder in ihren Beruf als MTA einsteigen. Er wird sich – indem sie ihm so den Rücken freihält – als Ingenieur in seiner Firma eine gute Position aufbauen. Damit sind beide zunächst zufrieden. Aber seit das zweite Kind da ist, sind seine Abende immer häufiger belegt – nicht durch berufliche Verpflichtungen, sondern durch Sportverein, Kegelclub und Skatrunde. Barbara fühlt sich allmählich mit den Kindern und allen Fürsorge-Aufgaben vollständig allein gelassen.
Felix’ Mutter ist ein Pflegefall geworden. Nach einigem Hin und Her einigt man sich, sie nicht ins Heim zu geben, sondern zu sich ins Haus zu nehmen. Man engagiert zwar eine Hauspflege, aber es bleibt trotzdem noch einiges zu tun – und das alles bleibt wie selbstverständlich an Beate hängen. Nach einiger Zeit erkundigt sich Felix nicht mal mehr bei ihr nach seiner Mutter, geschweige denn, dass er sich um sie kümmern würde.
Max liebt es, nach anstrengenden Arbeitstagen und nach dem Abendessen zur Ablenkung und Entspannung mit Isolde noch etwas zu unternehmen. Aber Isolde ist dazu immer seltener bereit. Sie bleibt vor dem Fernseher hängen und ist nicht zu bewegen, ihre vier Wände zu verlassen. Wenn er noch raus will, muss er es immer allein machen.
Rudolf fände es so schön, wenn Agnes im Sex aktiver wäre, eigene Wünsche und Impulse einbringen, manchmal von sich aus die Initiative ergreifen würde. Es ist ja in Ordnung für ihn, dass das meist seine Aufgabe ist. Aber manchmal möchte er doch so gerne, dass auch Agnes mal auf ihn zukommt. Sie haben schon oft darüber gesprochen. Aber es passiert nichts. Wenn er nicht macht und tut und sich anstrengt, läuft einfach nichts im Bett.
In allen diesen Fällen beginnt es in der Beziehung unfair zuzugehen. Immer fällt einem der Partner die Hauptlast zu, und der andere hält sich raus. Es gibt – jedenfalls in dem jeweils angesprochenen Bereich – keine Wechselseitigkeit, sondern nur Einseitigkeit. Eine solche Situation charakterisiere ich mit dem Wort »Schieflage«. Hier entstehen unausgeglichene Konten. Beziehungen, in denen sich Derartiges einspielt, werden auf die Dauer krisenhaft, weil einen der beiden unweigerlich das deutliche oder undeutliche Gefühl beschleicht, dass er ständig schlechter wegkommt.
Die Kunst der Balance
In solchen wie den geschilderten Fällen gelingt es Paaren nicht, innerhalb gewisser Polaritäten, die in jeder Beziehung eine Rolle spielen, einen Ausgleich zu schaffen oder – wie ich auch gerne sage – eine Balance herzustellen. Diese Polaritäten, die im Leben eines jeden Paares eine wichtige Rolle spielen,
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