Liebe auf Dauer
tiefe Verletzung. Eine Liebe, die in eine sexuelle Begegnung gemündet ist, stiftet durch diese einen besonderen Bereich seelisch-körperlicher Intimität. Die sexuelle Begegnung auch mit anderen zuzulassen wird darum häufig als eine schwere Verletzung dieses Raumes erlebt. Ich glaube, dass dies viele Menschen empfinden, wenn sie es auch nicht offen zugeben, und ich glaube nicht, dass es sich bei diesem Empfinden nur um Gewissensbisse aus einer rückständigen christlichen Sexualmoral handelt. Vielmehr scheint es mir gerade hier wiederum um das Bedürfnis zu gehen, in der Liebe für den anderen der/die Einzige zu sein. Gerade wir Menschen der heutigen Zeit, die so sehr daraufbestehen, dass die Partnerliebe eine personale, ganzheitliche und tiefe Beziehung stiften soll, empfinden so – trotz aller Liberalität, die wir zur Schau stellen und mit der wir uns in diesem Punkt häufig vergewaltigen, weil sie unserem wahren Empfinden widerspricht.
Hinweise
Beim Verlust von Intimität in einer Paarbeziehung ist es ähnlich wie beim Überhandnehmen von Negativität: Es entsteht leicht ein sich selbst verstärkender destruktiver Kreislauf, und zwar auf folgende Art: Wir haben uns als Paar etwas aus den Augen verloren. Wir gucken eher aneinander vorbei als einander an. Plötzlich steht ein Abend vor der Tür, an dem wir ganz allein sein werden, weil es da keinen Termin gibt und die Kinder bei der Oma sind. Was werden wir da miteinander anfangen? Was wird passieren, wenn wir uns jetzt plötzlich ganz allein gegenüberstehen? Ohne dass wir uns das so deutlich machen, erschreckt uns diese Vorstellung. Also fällt uns sogleich etwas ein, was wir an diesem Abend doch noch zu erledigen haben … Zu einer wirklichen Begegnung kommt es deshalb wieder nicht. Eine Gelegenheit, bei der wieder Intimität entstehen könnte, ist damit dahin. Die versäumte Gelegenheit wirkt sich aber aus: Sie macht es bei der nächsten Gelegenheit noch ein Stück schwieriger, dass etwas zustande kommt. Und so geht es weiter: Je länger nichts zustande kommt, umso schwieriger erscheint es uns, das Ruder herumzureißen. Also fangen wir an, solche Gelegenheiten gar nicht mehr entstehen zu lassen, weil wir uns immer weniger vorstellen können, was wir dann miteinander anfangen … Daraus wäre wieder einmal die Regel abzuleiten: Wehret den Anfängen! Denn sonst wird es immer schwieriger. Sorgt von Anfang an, solange das Verlangen nach Zweisamkeit in Euch nochspürbar ist, dafür, dass es sichere und geschützte Räume und Zeiten dafür gibt!
Damit das gelingt, kann es eine große Hilfe sein, kleine Alltagsrituale einzuführen. Das heißt: Man sorgt dafür, dass bestimmte Räume und Zeiten für intime Zweisamkeit nicht immer nur von Neuem eigens festgelegt werden müssen. Man lässt sie sich wiederholen in einem bestimmten Rhythmus, einer gewissen Regelmäßigkeit und ähnlichen Abfolge. Am Beispiel eines befreundeten Paares: Die beiden gehen jede Woche an einem bestimmten Tag ins nahe Städtchen miteinander einkaufen. Ihr erstes Ziel dabei ist ein kleines Café, in dem sie immer dasselbe Frühstück bestellen. Wenn sie sich daran gütlich getan haben, wenden sie sich ihren Einkäufen zu. An bestimmten Tagen laden sie regelmäßig und in bestimmten Abfolgen ihre Freunde ein, mit denen sie dann bei anregenden Gesprächen den Abend verbringen. Im Sommer stehen jedes Jahr ein paar Tage Wanderurlaub in einem ausgedehnten Schweizer Berggebiet auf dem Programm. Anfang November machen sie auf einer bestimmten Nordsee-Insel immer eine Woche Urlaub inmitten der Herbststürme. Jedes Jahr begehen sie ihren Verliebungstag – also den Tag, an dem es bei den beiden »gefunkt« hat – indem sie sich diesen Tag freihalten und etwas Besonderes unternehmen. Alle diese Gelegenheiten müssen nicht immer wieder neu geplant werden. Man weiß, wann man was unternimmt, und die angenehmen Erinnerungen an die vergangenen Erlebnisse versetzen die beiden schon in freudige Erwartung des Kommenden und sind damit eine positive Einstimmung darauf. Damit entfliehen sie immer wieder dem Alltag, schaffen immer wieder Begegnungsmöglichkeiten und verhindern die Entstehung der erwähnten Teufelskreise.
7 Stellen Sie Gegenseitigkeit und Ausgleich her
Die Kunst der Balance in der Beziehung
Gerechtigkeit kommt vor Liebe
Schon in dem Kapitel über Verletzungen haben wir gesehen, dass zu ihrer Bewältigung in einer Beziehung immer wieder ein Ausgleich hergestellt werden muss. Denn – so war der
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