Liebe auf dem Pulverfaß
Physiker müßten doch dafür eine Erklärung haben. Früher war es auch heiß, aber jetzt ist es, als wolle Gott Israel verbrennen. Zockeln wir näher an die Sonne heran?«
»Was ist, Oberst?« Moshe Yonatan öffnete die Schreibtischtür, holte eine Flasche Wein hervor und goß zwei Gläser voll. Der Wein war dunkelgelb und duftete nach Gewürzen. »Sie klemmen sich nicht auf meinen Tisch, um von mir einen Vortrag über die Auswirkungen von verstärkt auftretenden Protuberanzen zu hören.«
»Die letzte Silbe stimmt, Professor. Es ist etwas ranzig …«
»Himmel, das war ein schlechter Kalauer.« Die Unterhaltung fand in Deutsch statt … Josuah Halevi war in Magdeburg geboren worden und hatte 1933 als Kind noch rechtzeitig Deutschland verlassen können. »Sorgen im Geheimdienst?«
»Große.« Halevi trank einen Schluck Wein. »Ihretwegen …«
»Ich werde bewacht wie ein Sack voll Diamanten.« Yonatan stand auf und trat ans Fenster. Auf dem großen Platz der Universität saßen die Studenten und Studentinnen an den Brunnenrändern … ein buntes, schönes Bild der Sorglosigkeit. »Soll ich wetten, daß Dayan nicht so behütet wird wie ich?«
»Wette gewonnen. Dayan hat eine Augenklappe, Sie aber haben ein Nachtzielgerät entwickelt. Das bereitet uns schlaflose Nächte.« Halevi stellte das Glas auf den Tisch zurück. »Professor, ich habe heute erst genaue Informationen aus Köln bekommen …«
»Mein Sohn Kehat! Diese Liebe zu der Araberin!« Moshe Yonatan winkte ab. »Ich habe ihm befohlen, zurückzukommen … seitdem antwortet er nicht mehr. Zuerst war ich wütend, dann dachte ich an meine eigene Jugend. Auch Sie haben sicherlich einmal – mindestens – den Kopf verloren, wenn es um eine Frau ging, Oberst.«
»Natürlich. Aber der Kopf eines Weinsteins oder eines Silbermanns oder eines Schmul Pinkeles ist nicht so wichtig wie der eines Kehat Yonatans. Hat Ihnen Ihr Sohn auch geschrieben, wen er im Bett hat?«
»Eine Araberin. Amina heißt sie.« Yonatan drehte sich vom Fenster weg. Die direkte Sprache Halevis war nicht sein Stil.
»Und weiter.«
»Nichts.«
»Dachte ich mir.« Halevi nahm wieder einen Schluck Wein. »Es gibt nichts auf dieser Welt, was nicht möglich wäre, selbst die irrsten Konstellationen in der Liebe. Das Mädchen heißt Amina Murad und ist die einzige Tochter von Dr. Safar Murad al Mullah …«
Plötzlich lag eine bedrückende Stille zwischen den beiden Männern. Yonatan machte drei Schritte bis zum Schreibtisch und setzte sich lautlos auf seinen Stuhl. Halevi betrachtete seine Finger, als wolle er gleich mit dem Abzählen beginnen. Eins und eins macht zwei …
»Safar Murad –«, sagte Yonatan endlich.
»Das ist ein Brocken, den Sie jetzt auffangen müssen, Yonatan.« Halevi steckte sich eine neue Zigarette an, die alte war im Aschenbecher verglüht. »Welch ein Hebel für die Fedajin, Sie aus dem Stuhl zu heben! Amina führt den aus Liebe zum Trottel gewordenen Kehat ins gegnerische Lager, und dann beginnt ein Spielchen, das nur im Blut enden kann. Wir alle wissen, wie es ausgehen wird –«, Halevi vermied es, Yonatan anzusehen und spielte mit seiner Zigarette – »aber wir möchten Ihnen ersparen, Israel auf diese schreckliche Art einen Sohn zu opfern …«
»Das war klar«, sagte Yonatan. »Manchmal ist Ihre Grobheit heilsam.«
»Wir können uns Illusionen nicht leisten. Israel ist durch Sie als einziger Staat der Welt im Besitz eines hundertprozentigen Nachtzielgerätes. Noch weiß es nur eine Handvoll Militärs, aber ich wette meinen Kopf, daß die arabische Seite genau weiß, was hier geschieht. Ihr Sohn Kehat, bisher als Student irgendwo in der Welt und aus den Augen der Araber, ist plötzlich so nahe vor ihnen, daß mich wundert, warum er nicht schon längst auf dem Weg nach Kairo, Beirut oder Damaskus ist.«
»Mein Gott!« Yonatan starrte Halevi an. Blässe überzog sein Gesicht. In der plötzlichen fahlen Fläche wirkten die blauen Augen übergroß und einsam. »Was soll ich tun? Ich fliege mit der nächsten Maschine nach Europa …«
»Unmöglich. Das Risiko ist zu groß. Ich habe bereits, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, gehandelt. Drei unserer Leute haben den Auftrag, Kehat zur Rückkehr nach Israel zu bewegen. Glauben Sie mir … sie schaffen es …!« Halevi blickte auf seine Armbanduhr. »Sie haben den Auftrag, die erste Morgenmaschine zu benutzen. Morgen gegen Mittag können Sie Ihren Kehat umarmen, Professor.«
»Und das Mädchen?« fragte
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