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Liebe auf dem Pulverfaß

Liebe auf dem Pulverfaß

Titel: Liebe auf dem Pulverfaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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herauszukriechen.
    Nach zehn Tagen schrieb er einen Brief an seinen Vater, fuhr mit Amina nach Basel und steckte ihn in den Briefkasten der Hauptpost. Er hatte den Brief vorher Amina vorgelesen:
    »Liebe Eltern,
    ich lebe … das allein ist wichtig! Ich bin weder entführt worden, noch befinde ich mich sonst in irgendeiner Gefahr. Amina ist bei mir, und wir sind bereit, zu den Sternen zu fliegen oder in die Tiefe der Erde zu kriechen oder sonstwohin zu gehen, so sehr lieben wir uns. Habt keine Sorge … ich hoffe, mit Amina bald bei euch zu sein.«
    Er schrieb es in deutsch, und Amina nahm ihm den Kugelschreiber aus der Hand und schrieb darunter:
    »Zu den Sternen und in die Tiefe der Erde folge ich ihm, aber nie nach Israel. Trotzdem liebe ich ihn, wie nur ein Mensch einen anderen Menschen lieben kann …«
    Er sah sie betroffen an, aber dann faltete er den Brief zusammen, änderte nichts mehr an ihm und klebte das Kuvert zu.
    »Ich mußte es schreiben …«, sagte sie leise.
    »Ich verstehe es.« Er schrieb die Adresse. »Auch ich könnte nicht in Damaskus leben.«
    »Ein Jude und eine Araberin.« Sie lehnte den Kopf gegen seine Schulter. »In dieser irrsinnigen Zeit. Welch ein Märchen …«
    »Und bei diesen Vätern –«
    Sie legten den Brief zur Seite, umarmten und küßten sich und verpaßten vier Straßenbahnen. Um so mehr leuchteten ihre Augen, als sie endlich das Zimmer verließen und die Tür schlossen vor dem zerwühlten Bett … dem einzigen, winzigen Fleck auf dieser großen Welt, der ihnen gehörte – für dreißig Franken Miete am Tag.
    Drei Tage später lasen Moshe und Rebba Yonatan den kurzen Brief und weinten vor Freude. Oberst Halevi stand am Telefon und schrie zu irgendeiner Dienststelle: »Ja, er lebt! Er ist in Sicherheit! Poststempel Basel. Sofort Sektion VI verständigen! Jetzt will ich sehen, ob der israelische Geheimdienst wirklich der beste der Welt ist!«
    In Köln saß Dr. Safar Murad im Büro Ghazi Muhameds und las zum viertenmal das Fernschreiben aus Damaskus. Ghazi hatte ihn aus dem Hotel geholt, in dem Safar mit der Geduld des Mohammedaners wartete auf Dinge, von denen er nicht wußte, wie sie aussehen sollten.
    »Das ist eine gute Nachricht –«, sagte er jetzt. Ghazi verzog den breiten Mund.
    »Es kann eine Falle sein.«
    »Wir haben bei der Postverteilung in Tel Aviv einen Kontaktmann sitzen.« Safar Murad legte das Fernschreiben so vorsichtig weg, als sei es aus Glas. »Er hat den Brief durchleuchtet. Er ist echt. Und es sind Aminas Worte. In Basel also! Jetzt kommt es darauf an, wer schneller ist!«
    Das Wettrennen zwischen dem israelischen Geheimdienst und einer Kommandotruppe der ›Organisation Freies Palästina‹ vollzog sich in aller Stille, unter Ausschluß der Öffentlichkeit, so wie die größten Kriege der Neuzeit nicht mehr mit Granaten und Bomben geführt werden – denn dann beginnt der Krieg dilettantisch zu werden – sondern die entscheidenden Schlachten schlagen ein paar Männer und Frauen, deren Namen man nur in eingeweihten Kreisen kennt. Alles, was dann später sichtbar wird, sind nur noch Abfallprodukte, ähnlich wie ein Krebsgeschwür, das man erst dann sieht, wenn im Inneren des Körpers bereits Sieg oder Niederlage entschieden sind.
    Mit einem Flugzeug trafen – auf einem Umweg über Rom, um völlig unverdächtig zu sein – sechs ausgesuchte israelische Offiziere in Basel ein, um sich dort mit einem unauffälligen, stillen Mann zu treffen, der eine Drogerie mit Reformabteilung betrieb. Er hieß in der Schweiz Paul Zöggli, sein Paß war echt, und niemand wäre darauf verfallen, in ihm den Hauptmann Jossele Birnstein zu vermuten. Birnstein, immer etwas ärmlich gekleidet in einem billigen Anzug, obwohl seine Drogerie gut ging, war sogar Fahnenträger der Baseler Schützengilde und einer der eifrigsten Trommler bei der Baseler Fassenacht, also ein angenehmer, lieber, gut gelittener Mensch mit einer Frau, die Josefa hieß, und zwei artigen Kindern. Ein braver Bürger.
    Dieser Paul Zöggli stand an der Zollabfertigung des Baseler Flughafens, begrüßte einen der Ankommenden wie einen guten Freund und ignorierte die anderen fünf Geschäftsleute, die ohne einen Blick auf ihn ihre Koffer abholten.
    »Wie geht es der Tante?« fragte er, eine schöne, familiäre Frage, und der Mann aus Rom antwortete:
    »Sie ist erkältet. Etwas heiser, mein Lieber.«
    Man verstand sich, Zöggli schleppte den Koffer seines Besuchs zu seinem kleinen Fiat und brauste davon nach

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