Liebe auf dem Pulverfaß
»Können Sie folgen, Major?«
»Bin ich ein Idiot?«
»Bitte, erwarten Sie darauf keine ehrliche Stellungnahme.« Birnstein zerriß seine Malerei und verbrannte sie in einem großen Aschenbecher. Die Asche zerrieb er zu Staub. »Was bleibt also übrig?«
»Die ganze große Welt, Jossele.«
»Nein! Die Schweiz! Sie kommen hier nicht heraus! Nicht ohne Geld, nicht ohne falschen Paß für Amina. Wir haben über unsere Botschaft bei der Schweizerischen Bundesregierung in aller Stille interveniert. An den Grenzen kontrolliert man jetzt alle exotischen Pässe und wartet auch auf einen Paß mit dem Namen Karl Johnen. Das ist nämlich Kehat.«
»Das weiß ich auch.« Major Liman war wirklich beleidigt. Er wußte, was Birnstein nicht wußte: In Tel Aviv tobte Oberst Halevi. Ein Mann wie Professor Yonatan kann nicht einfach verschwinden! Man tötet ihn nicht – man braucht ihn wegen des Nachtzielgerätes. Also muß er irgendwo wieder auftauchen. Und hier lag das Versagen des Geheimdienstes. Wo immer etwas bei den Palästinensern auftauchte, wußte man es im Hauptquartier. Aber plötzlich riß diese Informationsbrücke ab! So etwas hatte es noch nie gegeben.
»Was können wir also tun?« fragte Major Liman sauer.
»Warten.«
»Erklären Sie das mal Oberst Halevi.«
»Gern. Er soll sich nach Basel begeben und sich die Lage ansehen. Von Tel Aviv aus, unter Palmen und ewiger Sonne sieht alles anders aus. Ebenso könnte ich fragen: Wo steckt der Professor?«
»O ja, tun Sie das, Jossele. Josuah wird einen Herzanfall bekommen. Jeden Tag steht Rebba Yonatan jetzt an der Klagemauer und betet. Sie hat sich, um immer dort zu sein, in der Nähe eingemietet.« Major Liman steckte sich eine Zigarette an und rauchte sie nervös mit tiefen Lungenzügen. »Ich kann nicht warten und herumsitzen. Ich bin kein Drogist –«
»Danke, Sie Ekel!« sagte Birnstein böse. »Glauben Sie, mir macht die Tarnung Spaß?«
»Ich habe meine Leute als Schatten auf unsere palästinensischen Gegner angesetzt.«
»Wie sinnig. Ich auch. Und was gibt's?«
»Nichts. Sie amüsieren sich in Zürich, soweit man sich in Zürich amüsieren kann.«
»Da bin ich weiter.« Jossele Birnstein lächelte breit. »Meine Palästinenser haben mehr Stil. Sie sind nach Rom gefahren und huren auf der Via Veneto. Ich wollte das erst nicht glauben. Was wollen die in Rom? Aber es ist so. Eine Gruppe von fünf bekannt harten Burschen ist nach Rom geflogen. Und was tun sie dort? Sie haben Kontakt mit einer studentischen Linksgruppe aufgenommen. Mit jenen revolutionären Feuerköpfen, die die Gesellschaft zerstören wollen, um nachher hilflos auf den Trümmern zu weinen und zu jammern. Ich frage mich: Was haben Arafat, Dr. Habbasch und Dr. Murad mit den Linksidioten im Sinn? Wo ist hier ein Zusammenhang mit Yonatan oder Kehat und Amina?«
Major Liman starrte Jossele Birnstein entgeistert an. »Das fragen Sie noch?« sagte er heiser vor Erregung. »Die beiden sind in Rom, das bedeutet diese Aktivität.«
»David! Kehat bei den Ultralinken? Sie sollten sich einer Kaltwasserkur unterziehen –« Birnstein schüttelte energisch den Kopf. »Nein! Man hat etwas anderes vor. Irgendeinen mit den Linken kombinierten Terrorakt. Sie haben die Suche nach Kehat eingestellt … so sehe ich das.«
Birnstein war ein kluger Mensch, aber auch ganz Kluge irren sich manchmal, weil irren eben menschlich ist. Wie konnte er ahnen, daß die Palästinenser erfahren hatten, ein unbekannter junger Arzt habe einen Verwundeten behandelt und ihm das Leben gerettet. In Revolutionskreisen sprach man über diesen jungen Mediziner mit einer Art Ehrfurcht.
Ghazi Muhamed el Islam, der Leiter des Flugbüros El Araab Lines in Köln, bei dem alle mitteleuropäischen Agentenmeldungen zusammenliefen, schlug vor Freude auf den Tisch und kochte sich einen höllisch starken Mokka.
»Das sind sie! Wir haben sie!« rief er und schwelgte im Vorgefühl seiner Rache an dem hochnäsigen Dr. Murad. »Ein Arzt und eine Krankenschwester! In Rom! Ausgerechnet in Rom, wo wir so gut vertreten sind! Jetzt ist alles nur eine Frage der Zeit –«
Aber auch Ghazi Muhamed fragte sich im stillen, was Kehat und Amina in Rom wollten. Safar Murad und Professor Yonatan waren in Kairo, das wußte man jetzt überall in der Organisation, wenn auch nur in den Führungsspitzen – warum versteckten sich ihre Kinder in Italien? Baute man in Rom von israelischer Seite eine Sondertruppe für Ägypten auf? Aber warum gerade in Rom? Das
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