Liebe auf dem Pulverfaß
Geheimdienst war hinter ihm her – es war ein Wettrennen, das eigentlich gar keinen Sinn hatte, denn die wichtigste Person, Moshe Yonatan selbst, befand sich ja in arabischen Händen. Was wollte man mehr? Yonatan durch die Geiselnahme seines Sohnes zum Reden zwingen? Jasir lächelte versonnen vor sich hin. Es gab andere, billigere Methoden. Auch wenn Yonatan ein Held war … es gibt eine Schmerzgrenze, die kein Mensch mehr überschreiten kann. Professor Yonatan wäre der erste, der diese wahnsinnige Folter nicht durch ein gutes Wort abgebrochen hätte.
Aber nicht nur Jasir war an diesem Vormittag sehr aktiv. Auch gegenüber in der verschwiegenen Villa des Armeniers, der anscheinend nie Besuch erhielt, den man nie sah, in dessen Garten sich auch kaum etwas regte, außer einem Gärtner, der still und versonnen den Rasen und die Blumen pflegte und den Eindruck machte, als sei er taubstumm, fanden hinter den gardinengeschützten Fenstern eifrige Konferenzen statt, und über eine Sonderfrequenz tickten zwei Kurzwellensender nach Tel Aviv und Jerusalem.
Der Spezialist mit dem Strahlengewehr und den geheimnisvollen Radiumstrahlen, die in den Kleidern kleben blieben und damit den ›Angeschossenen‹ immer im Bereich einer Überwachung festhielten, war eingetroffen. Ein unscheinbarer Mann, der als Fleischausträger erschien. Daß er im Haus blieb, fiel niemandem auf, auch nicht den Posten in der schönen Kuppel von Jasirs Villa. Dafür wurden drei Besucher ben Rahmans ›beschossen‹, aber sie brachten keinen Aufschluß darüber, wo in den Bergen der geheime Einschlupf war. Sie fuhren mit ihren schweren amerikanischen Wagen wieder weg, und das tickende ›Fanggerät‹ verfolgte sie bis zum ägyptischen Innenministerium. Sie waren uninteressant.
»Warum sieht man Dr. Safar Murad nicht mehr?« fragte man aus Tel Aviv besorgt. Und die Antwort aus Kairo lautete ebenso besorgt: »Weil er das Haus nicht mehr verläßt. Warum – wer weiß das?«
Oberst Josuah Halevi war verzweifelt. Seit dem Verschwinden Moshe Yonatans versagte der sonst so blendende israelische Geheimdienst völlig. Alle Kontaktmänner meldeten Fehlanzeigen … Yonatan war spurlos verschwunden. Auch die Nachforschungen nach Kehat und Amina liefen sich tot … in der Schweiz beschimpften sich der sonst sarkastische Jossele Birnstein, genannt Paul Zöggli, und Major David Liman mit Worten, die sonst unter Freunden nicht üblich sind. Ihr einziger Trost war, daß auch die Palästinenser im dunkeln herumtappten und sichtlich nervöser wurden. Birnstein, der bestens informiert war, sagte zum Beispiel: »David, Sie sind Major des Geheimdienstes. Sie sollten Major bei den Pissoirmännern werden! Sitzen hier in Basel herum und jammern die Wände an. Fliegen Sie zurück nach Tel Aviv … Sie machen mich nervös. Ich bin ein ehrbarer Drogist.«
»Wie wollen Sie zwei Menschen, die sich in der Schweiz verstecken, finden, he?« schrie Liman zurück. »Wenn sie irgendwo in einem Bergdorf sitzen, brav in einer Pension … wie soll man sie je finden?«
»Vergessen Sie nicht: Sie haben wenig Geld!«
»Sie werden sich welches beschaffen.«
»Überall mit Leichtigkeit, ja. Aber in der so korrekten Schweiz? Wer hier arbeiten will, muß Papiere haben, gemeldet sein, eine Arbeitserlaubnis einholen, eine Steuernummer bekommen, um einen Aufenthalt nachsuchen. Kein ehrbarer Schweizer wird einen Touristen als Arbeiter anstellen.«
»O Gott! Gibt es in der ganzen Schweiz keinen weniger ehrbaren Bürger, der das doch tut?«
»Aber ob Kehat ausgerechnet den findet?« Birnstein machte wieder seine Kästchen und Kreise und malte auf einem großen Stück Papier eine Art Gedankenplan. »Kehat besitzt auch einen deutschen Paß, das erschwert vieles. Aber Amina Murad hat nur ihren syrischen Ausweis. Ein falscher Paß – auch in der Schweiz zu haben – kostet viele gute Franken. Woher nehmen sie die? Das ist gar nicht so schnell zu verdienen. Unterstellen wir, daß sie in ihrer Verzweiflung sich Geld durch eine kriminelle Handlung beschaffen. Auch das ist nicht geschehen … in der Schweiz hat es keine spektakulären Einbrüche oder Überfälle in der letzten Zeit gegeben. Und berücksichtigen wir eins: Beide sind auf der Flucht vor Aminas Vater, Dr. Safar Murad, einerseits und den Fängern der Fedajin andererseits. Dr. Murad ist zur Zeit in Kairo – also werden Kehat und Amina auf gar keinen Fall in Kairo sein.« Birnstein unterbrach seine Malerei und sah Major Liman kurz an.
Weitere Kostenlose Bücher