Liebe auf dem Pulverfaß
Safar Murad schüttelte energisch den Kopf. »Das ist der Weg, den ich bestimmt nicht gehen werde –«
Am nächsten Morgen erschienen in den Kairoer Zeitungen zwei Bilder von Dr. Safar Murad. Auf dem einen Foto begrüßte er mit einer tiefen Verbeugung Indira Ghandi, auf dem anderen sah man ihn an einem Rednerpult stehen. Darunter stand: »Der bekannte Arzt und Kämpfer für die Befreiung Palästinas, Dr. Safar Murad al Mullah, traf in Neu-Delhi ein, um auf dem internationalen Medizinerkongreß eine aufsehenerregende Rede über das Problem der Geburtenkontrolle und ihre Berechtigung auch nach dem islamischen Glauben zu halten.«
Jasir brachte die Zeitungen mit einem breiten Grinsen ins Zimmer. »Wir machen Sie berühmt –«, sagte er dabei spöttisch. »Hoffentlich nicht posthum …«
Das war eine deutliche Drohung. Yonatan und Murad verstanden sie. Als Jasir sie nach einigen weiteren provozierenden Bemerkungen wieder verlassen hatte, betrachteten sie die Pressefotos.
»Gut gemacht«, sagte Yonatan. »Es könnte glatt eine israelische Arbeit sein. Da merkt keiner die Fälschung. Ihr Händedruck mit Indira Ghandi ist fabelhaft. Damit sind Sie jetzt außer Gefecht, Safar. Nur eines macht mir Sorge: Ob auch unsere Kinder auf diese Falschmeldung hereinfallen?«
Sie glaubten sie tatsächlich!
Amina las eine Zeitung, als sie morgens bei dem Hauswirt Wasser für den Kaffee holte. Sie hatten die halbe Nacht vor dem Haus Jasirs gestanden, Amina hatte auf ihrer Hirtenflöte traurige Weisen gespielt, aber aus der dunklen Villa, über die hohe Mauer hinweg, war keine Antwort gekommen.
Nun war dieses Schweigen erklärbar. Amina übersetzte Kehat den Artikel, sie betrachteten die Bilder und verstanden überhaupt nichts mehr.
»Hat dein Vater dir von dieser Reise erzählt?« fragte Kehat nach einer Weile des Nachdenkens.
»Kein Wort. Das muß alles plötzlich entschieden worden sein.«
»So plötzlich ist das nicht möglich. Man kann einen solchen Vortrag nicht aus dem Ärmel schütteln. Er muß gründlich vorbereitet sein.«
»Mein Vater ist ein fabelhafter Arzt –«
»Aber auch fabelhafte Ärzte können auf Kongressen keine Vorträge ohne Vorbereitung halten. Glaub es mir, Amina. In der Medizin ist nichts gefährlicher als Stegreifreden. Da gelten nur wissenschaftliche Fundamente, kein Drumherumreden. Irgend etwas stimmt da nicht.«
»Aber die Fotos. Es ist mein Vater.«
»Und mein Vater? Er ließ ihn schutzlos bei Jasir zurück, nach allem, was du mir erzählt hast?«
»Das begreife ich nicht.«
»Hier wird mit verschiedenen Karten gespielt.« Kehat warf die Kairoer Zeitung auf den Boden. »Wir müssen es wagen, Amina. Wir müssen uns selbst überzeugen. Wir müssen noch einmal ins Haus!«
»Es ist voll von Gästen.«
»Um so besser. Jasir wird sie nicht nur mit reichgedeckten Tischen bewirten, sondern auch mit Mädchen. Du fällst noch weniger auf als vorher.«
An diesem Tag blieben sie zu Hause, schliefen bis in den Mittag hinein und gingen dann durch die brodelnde Stadt, den Basar und am Nil entlang und erkundigten sich bei verschiedenen Fluggesellschaften, wie man am schnellsten nach Neu-Delhi kommt.
Auf einer Bank in einem kleinen Park am Nil werteten sie dann die Auskünfte aus.
»Der schnellste Weg ist der mit einem Umweg«, sagte Kehat. »Zurück nach Rom und von dort nach Neu-Delhi. Von Rom fliegen in einer Woche zwölf Gesellschaften nach Indien, von Kairo nur zwei. In dieser Woche gar keine mehr.« Er zerriß die Notizen und streute sie in den Wind. Der nahm die Fetzen mit und wehte sie über den Nil. »Ich schlage vor, du fliegst allein nach Indien und überredest deinen Vater, in der Freiheit zu bleiben. Ich werde mich hier um meinen Vater kümmern. Wieviel Geld haben wir noch?«
»Ein paar Dollar, Kehat –«
»Ich muß Geld verdienen.«
»Als taubstummer Fellache in Kairo?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich fliege mit nach Rom. In zwei Tagen haben wir das Geld für deinen Flug nach Indien zusammen.«
»Willst du wieder angeschossene Terroristen operieren?«
»Nein.« Kehats Miene wurde hart. »Ich werde zum Büro unseres Geheimdienstes gehen und Geld verlangen. Amina, es gibt keinen anderen Ausweg mehr! Wir allein schaffen es nie! Es war eine Utopie, zu glauben, wir könnten allein Probleme lösen, an denen der Weltfrieden zugrundegehen kann. Jetzt brauchen wir die Hilfe von draußen –«
Wenn er gewußt hätte, wie nah er dieser Hilfe war … gegenüber im Haus des Armeniers. Aber
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