Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
der Springbrunnen eingefallen, weil die junge Lady den auf dem Ball bei den Devereaux erwähnt hatte. Womöglich stammte die Notiz ja von Reginald, weil er nicht die Möglichkeit gehabt hatte, persönlich mit Clarissa zu sprechen.
Adrian drehte sich seufzend um und betrachtete das hübsche kleine Bauwerk. Er konnte verstehen, warum es Clarissa hier so gut gefiel; es war schön, hier zu stehen und dem leisen Plätschern des Wassers zu lauschen. Verdammt, von wegen schön – es war der blanke Horror gewesen, als Clarissas Körper leblos auf dem Wasser trieb.
Wie um die schlimme Erinnerung wegzuwischen, fuhr Adrian sich mit den Händen durchs Gesicht. Das hätte ihm gerade noch gefehlt, sann er, nachdem er über das hintere Tor in den Garten geklettert war, um seine Liebste wiederzusehen. Er war von tiefer Verzweiflung getrieben, weil er Clarissa nach ihrem ersten Kuss eine geschlagene Woche nicht gesehen hatte. Als er in jener Ballnacht nach Hause gekommen war, hatte er sich fabelhaft gefühlt. Sein Plan hatte hervorragend funktioniert. Das Picknick war ein voller Erfolg. Sie war begeistert gewesen … und der Kuss ein wundervolles Geschenk. Adrian hatte gar nicht vorgehabt, sich solche Freiheiten herauszunehmen, aber dann hatte sie vor ihm gestanden, ihre Augen strahlend im Mondlicht, ihre sanft geschwungenen Lippen bezaubernd und samtig wie die Blütenblätter einer Rose, und da hatte es ihn erwischt. Er wollte von diesen süßen vollen Lippen naschen.
Nach ihrem Kuss hatte Adrian jedoch schnell gemerkt, welchen Fehler er gemacht hatte. Ihre Lippen waren weich und warm und verschmolzen mit seinen wie Butter auf frischem Toast, und dieser Kuss schmeckte nach mehr. Deshalb hatte er ihr kleines Geplänkel hastig beendet. Er hatte den Ball der Devereaux verlassen, beschwingt und beseelt von einem baldigen Wiedersehen mit ihr.
Dann hatte er fieberhaft überlegt, wie er Clarissa auf zukünftigen Bällen am besten von ihrer Stiefmutter loseisen könnte. Damit er mit ihr allein war, um ihr vorzulesen, mit ihr im Park zu tanzen, zu picknicken, sie zu küssen. Er hatte seine Mutter, Cousin und Cousine und noch ein paar Freunde eingespannt, die ihn unterstützten. Es war jedoch zwecklos. Clarissa und Lydia tauchten seitdem auf keinem Ball mehr auf.
Adrian hatte sogar einen Detektiv engagiert und auf die beiden angesetzt. Weil es ihn brennend interessierte, was die beiden machten. Wenig, wie es schien. Die Frauen hatten das Haus die ganze letzte Woche nicht verlassen. War Clarissa etwa krank?, sorgte sich Adrian. Der Detektiv, der einen Diener im Hause Crambray bestochen hatte, versicherte ihm jedoch, dass keine der Damen erkrankt sei. Lydia hatte schlicht und einfach sämtliche Einladungen abgesagt und weigerte sich, Besucher zu empfangen. Reginald war ebenfalls abgewiesen worden, als er Clarissa zu einer weiteren Kutschpartie durch den Park einladen wollte.
Der junge Lord Mowbray befürchtete, dass Lady Crambray von ihrem kleinen Picknick erfahren haben könnte, und sah sich in seinen Befürchtungen bestätigt, als Prudhomme in seiner Gegenwart mit einer sarkastischen Bemerkung darauf anspielte. Und als Adrian von Lydias geplantem Fest erfuhr, hatte er sich einen Plan überlegt, um Clarissa wiederzusehen.
Er hatte natürlich keine Einladung zu Lydias Ball bekommen, auch seine Mutter, seine Cousine Mary und Reginald nicht. Sein Cousin war indes nicht auf den Kopf gefallen. Reg begleitete einen seiner Freunde, der als Gast geladen war, mit dem Ziel, Clarissa unbeobachtet von Lydia und den anderen Gästen nach draußen zu schicken, wo sie Adrian treffen sollte. Der wiederum wollte über das hintere Tor klettern und am Springbrunnen auf sie warten. Um vor Clarissa dort zu sein, war Adrian zeitig von zu Hause aufgebrochen und am Springbrunnen mit einem entsetzlichen Anblick konfrontiert worden. Angestrahlt von silbrig bleichem Mondlicht trieb ihr lebloser Körper in dem flachen Becken, ihr Kleid und ihre Haare wolkig gebauscht in dem glitzernden Wasser.
»Adrian?«
Das leise Flüstern holte ihn aus seinen brütenden Gedanken. Er spähte zu dem Weg, wo Reginald eben auftauchte und mit langen Schritten zu ihm steuerte.
»Da bist du.« Sein Cousin trat zu ihm, inspizierte mit Kennerblick den ausgewählten Treffpunkt für das Rendezvous und nickte anerkennend. »Das lauschige Plätzchen hier eignet sich garantiert fabelhaft.«
»Wofür?«, fragte Adrian verdutzt.
»Für dein Treffen mit Clarissa«, versetzte Reginald. »Wo
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