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Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)

Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)

Titel: Liebe auf den zweiten Blick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynsay Sands
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Clarissa, seine Kinderaugen riesig in dem schmutzverkrusteten Gesicht. Er zog einen Zettel aus seinem Hemd und hielt ihn ihr hin. »Aber fürs Bringen bekomm ich eine Münze.«
    »Oh.« Clarissa starrte ihn völlig perplex an, ehe sie zu Joan herumschwenkte. »Meine Geldbörse liegt oben in meinem Zimmer.
    »Hier.« Joan zog ein Geldstück aus ihrer Rocktasche und drückte es dem kleinen Botenjungen in die Hand. »Und jetzt ab mit dir.«
    »Danke, Joan«, sagte Clarissa, als die Zofe die Tür zudrückte. »Nimm dir das Geld oben aus meiner Börse, ja?«
    »Oh nein, das würde ich mich niemals trauen, Mylady«, murmelte Joan. Nach einem raschen Blick durch die Halle gewahrte sie, dass Ffoulkes nahte. Sie nahm Clarissa die Nachricht weg, steckte sie hastig in ihren Ärmel und schob die junge Frau energisch die Stufen hoch. »Kommen Sie, ich helf Ihnen rasch beim Umkleiden, Mylady«, verkündete sie betont laut.
    Clarissa konnte es kaum abwarten, bis sie in ihrem Zimmer waren, wo sie sich den Zettel geben ließ und krampfhaft versuchte, ihn zu lesen. Natürlich konnte sie ohne Brille kein Wort entziffern, deshalb musste Joan es ihr vorlesen.
    »Hier steht: ›Treffen Sie mich am Springbrunnen.‹ Und darunter: ›A. M.‹.«
    »A. M.? Das ist Adrian«, seufzte Clarissa glücklich.
    »Vergessen Sie bloß nicht, ihm zu sagen, dass er solche Nachrichten künftig mir schicken soll«, erinnerte Joan sie besorgt. »Hätte Ffoulkes den Zettel in die Finger bekommen und Ihrer Stiefmutter gezeigt … au weia!«
    »Ja, ja, mach ich«, bestätigte Clarissa und blinzelte verdutzt, als ihre Zofe sie abermals zur Tür schob. »Ich dachte, ich soll mich umziehen.«
    »Nachher«, sagte Joan. »Wenn Sie sich jetzt umziehen, und er zerknittert Ihnen das Kleid wieder so wie beim letzten Mal, müssen Sie sich sonst nämlich noch mal umziehen.«
    Das war ein Wink mit dem Zaunpfahl, und Clarissa errötete ertappt. Na und?, sinnierte sie, schließlich kann er küssen wie ein junger Gott. Mit einem Mal hatte sie Schmetterlinge im Bauch.
    Joan geleitete sie über die Dienstbotentreppe wieder nach unten. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass in der Eingangshalle weder Gäste noch Bedienstete herumlungerten, schob sie ihre junge Herrin ins Speisezimmer und öffnete die Terrassentüren. »Schaffen Sie es von hier aus allein?«
    »Ja.« Clarissa nickte. Das war bestimmt ein Klacks. Da das Grundstück relativ klein und überschaubar war, meinte sie, auch ohne Brille ganz gut zurechtzukommen. Den Weg zum Springbrunnen würde sie sicher auch ohne Hilfe finden.
    »Gut, dann warte ich hier an der Tür und bring Sie später unauffällig wieder nach oben. Aber machen Sie nicht zu lange«, Joan kicherte leise. »Und seien Sie vorsichtig«, schob sie hastig hinterher.
    »Bin ich«, versicherte Clarissa.
    »Vielleicht sollte ich doch besser mitkommen«, erwog Joan skeptisch. »Nachher passiert …«
    »Nein, nein«, wiegelte das Mädchen ab. »Es passiert schon nichts. Ich versuch auch, mich zu beeilen.«
    »Um Gottes willen, lassen Sie sich Zeit. Nicht, dass Sie noch hinfallen und sich was brechen.« Sie schob das Mädchen nach draußen.
    Clarissa glitt durch die zweiflügeligen Türen und ging zügig – wenn auch etwas unsicheren Schrittes – in Richtung Springbrunnen. Sie fand den Weg auf Anhieb und lief weiter, ihr Herzschlag beschleunigte bei der Aussicht auf ein Wiedersehen mit Adrian.
    Sie hatten sich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen!, schnaubte das Mädchen im Stillen. Lydia, dieses Biest, hatte ihre sämtlichen Verabredungen abgesagt. Besuche waren ebenfalls tabu. Ffoulkes hatte an der Tür jeden mit dem Hinweis abzufertigen, dass die Damen Crambray bis auf Weiteres keine Besucher empfingen. Clarissa war sich nicht schlüssig, ob ihre Stiefmutter sie damit zu bestrafen oder bloß von Adrian fernzuhalten versuchte – letztlich kam es auf dasselbe heraus: Sie hatte ihn eine ganze, entsetzlich lange Woche nicht mehr gesehen.
    Clarissa blieb nicht verborgen, dass Lydia sich überdies weigerte, Lady Havard und Lady Achard zu empfangen. Zumal die drei früher unzertrennlich gewesen waren. Das bestärkte sie in der Annahme, dass ihre Stiefmutter eine Affäre mit Prudhomme gehabt hatte und nach den peinlichen Enthüllungen die beleidigte Leberwurst spielte.
    Als Clarissa verschwommen die Konturen des Springbrunnens vor sich gewahrte, lief sie schneller. Beseelt von der Vorstellung, Adrian wiederzusehen. Und dann … passierte das Malheur.

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