Liebe auf den zweiten Kuss
trocken ist. Du weißt schon, ein traditionsbewusster Privatdetektiv der alten Schule.«
»Dachte ich es mir doch«, sagte Suze. »Es ist Gabe.«
»Was?«
»Du bist scharf auf Gabe. Deswegen setzt du ihm auch ständig zu: damit er dir Aufmerksamkeit schenkt.«
»Nein, das tue ich nicht.« Nell legte die Gabel ab. »Bist du verrückt geworden?«
Suze schüttelte den Kopf. »Ich höre es an deiner Stimme. Komm schon, ich bin’s doch.«
»Also gut.« Nell nahm ihr Weinglas zur Hand. »Ich hatte tatsächlich ein paar flüchtige und eigentlich unerlaubte Gedanken.« Sie trank die Hälfte ihres Weines und fügte dann hinzu: »Aber ich bin mir sicher, es ist nur deswegen, weil er wie Tim aussieht.«
»Er sieht überhaupt nicht wie Tim aus«, widersprach Suze. »Abgesehen davon überkommen dich bei Tims Anblick heute doch keine derartigen Gefühle mehr, nicht wahr?«
»Klassische Konditionierung«, bemerkte Nell und dachte daran, wie dämlich Tim während des Abendessens ausgesehen hatte, als er mit Whitney Händchen gehalten und versucht hatte, so zu tun, als säßen nicht seine zwei Frauen am selben Tisch. »Ich glaube, ich muss nur irgendeinen großen, langgliedrigen Typ mit dunklem Haar ansehen, und schon denke ich mit dir sollte ich schlafen , einfach weil ich so viele Jahre nur mit Tim geschlafen habe. Das wird sich schon wieder geben.« Sie schüttelte den Kopf und nippte erneut an ihrem Wein.
»Tim ist aber nicht groß«, schlug Suze weiter in dieselbe Kerbe. »Und ich frage noch einmal, diese Gefühle empfindest du Tim gegenüber doch nicht mehr, oder?«
Nell dachte nach. Empfand sie Lust bei Tims Anblick? Der liebe Gott war Zeuge, dass das zumindest heute nicht der Fall gewesen war. Er sah weicher aus, als sie ihn in Erinnerung hatte, als ob er irgendwie zu lange im Regen stehen geblieben war. Nicht jemand, den sie berühren wollte, nicht jemand, an den sie sich anschmiegen und dessen Knochen und Muskeln sie fühlen wollte. Ihr kam es so vor, als würde eine Delle zurückbleiben, wenn sie Tim mit dem Finger anstupste.
»Nein«, sagte sie.
»Na also«, bestätigte Suze entnervt. »Das kann also kaum als Begründung dafür herhalten, weshalb dich nach Gabe gelüstet.«
»Ich möchte bloß nicht wie Margie mit ihren austauschbaren blonden Männern sein.«
»Sie waren nicht austauschbar«, widersprach Suze. »Stewart war ein Arschloch, und Budge ist eine Art Fußabtreter.« Die Vorstellung schien sie zu deprimieren, und sie trank seufzend ihren Wein aus.
»Genau das meine ich doch«, sagte Nell. »Sie reagiert auf gewisse Äußerlichkeiten bei Männern, denen sie erliegt, ganz gleich, was es tatsächlich für Menschen sind. Und dann kommt sie nicht mehr von ihnen los.«
»Wie ist Gabe eigentlich?«
»Schlau.« Wieder sah Nell ihn vor sich, wie er im Türrahmen des Büros stand. »Beharrlich. Charmant, wenn er es sein möchte. Gereizt. Trocken. Lieb. Idiotisch. Freundlich. Vereinnahmend. Mutig. Unordentlich. Geduldig.« Hart. Kräftig. Schlank. »Und in letzter Zeit unglaublich sexy.«
Sie schüttelte den Kopf und griff nach der Weinflasche. »Da hast du es.«
»Das klingt mir aber nicht nach Lust.«
»Dem Himmel sei Dank.«
»Das klingt mir eher nach Liebe.«
»O nein, danach klingt es überhaupt nicht.« Nell richtete sich auf. »Fang bloß nicht damit an. Also ganz bestimmt nicht.« Sie nahm ihr Glas und trank.
»Die Sache mit der Liebe ist die, dass du gar keine Wahl hast«, fuhr Suze fort. »Eines Tages wachst du auf und da ist sie, sitzt am Fußende deines Bettes und sagt: ›Ätsch, ätsch, ich hab dich‹, und du kannst nicht das Geringste dagegen ausrichten.« Bei der Vorstellung schüttelte sie den Kopf und nippte ebenfalls an ihrem Wein.
»Mitnichten. Nein. Diesen Fehler werde ich nicht noch einmal begehen.«
»Die Tatsache, dass du ihn als sexy empfindest, schadet auch nicht«, bemerkte Suze. »Er ist sehr ansprechend. Und er hat einen klasse Körper.«
»Wie bitte?!«, rief Nell aus.
»Anzüge stehen ihm wirklich ausgezeichnet.« Suze nahm sich eine Karotte und fuhr fort, ohne Nell anzusehen. »Und dieses ›Ich bin der große Meister-Gehabe‹ macht ihn erst recht sexy. Mir gefällt es, wenn ein Mann die Hosen anhat.«
»Mit einem solchen Mann bist du verheiratet«, erinnerte sie Nell.
»Stimmt. Aber das heißt nicht, dass ich es bei anderen nicht als positiv empfinde.«
Nell nahm ihre Gabel und stach damit in die Lasagne. »Dann kann ich nur sagen: Nur zu.«
»Es würde dir
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