Liebe auf den zweiten Kuss
geschäkert hatte. Was Suze wiederum völlig gleichgültig zu sein schien. Dankenswerterweise hatte sich die Familie gegen neun Uhr verabschiedet. Jack, der seine Mutter nach Hause gefahren hatte, wurde offenbar von ihr noch eine ganze Weile aufgehalten, denn um elf Uhr, als Suze und Nell allein im Gästezimmer saßen und die Ruhe und ihren neunten Eierlikör genossen, war er immer noch nicht zurück. Selbst Marlene schien erleichtert.
»Danke, dass du hier übernachtest«, sagte Suze. »Ich könnte die Vorstellung nicht ertragen, das alles alleine aufzuräumen.«
»Kein Problem«, erwiderte Nell und streckte sich in ihrem blauen Seidenpyjama auf dem Bett aus. Es fühlte sich gut an, sich zu dehnen und die Muskeln zu spüren. Nicht zum ersten Mal dachte sie, dass sie andere Muskeln auch gerne wieder einmal gespürt hätte. Zölibatär zu leben war schrecklich. Von Zeit zu Zeit spielte sie sogar mit dem Gedanken, Riley noch einmal zu vernaschen – nur der Übung halber. »Danke, dass du Whitney und mich im selben Zimmer ertragen hast, damit Jase nicht schon wieder an einem Feiertag zwischen zwei Parteien herumirren musste.«
»Sie ist eine interessante Frau«, bemerkte Suze. »Für eine Zwergin jedenfalls.« Sie hatte es sich neben Nell im Schneidersitz auf dem Bett gemütlich gemacht und schälte Marlene aus ihrem Puterkostüm.
»Sie ist zierlich.«
»Sie ist eine gemeine kleine Küchenschabe.«
»Das sagst du nur aus Loyalität zu mir«, meinte Nell. »So übel ist sie doch gar nicht. Tatsache ist, dass ich überhaupt nicht mehr an sie denke, obwohl ich Tim immer noch den Tod wünsche. Den einzigen Groll, den ich ihr gegenüber heute noch hege, ist der, dass sie Sex hat und ich nicht.«
»Weißt du«, begann Suze und runzelte die Stirn. »Wenn wir auch nur einen Funken Verstand hätten, würden wir beide miteinander schlafen.«
»Wie bitte? Wir beide miteinander?« Nell dachte darüber nach. »Es würde die Dinge natürlich erleichtern.«
»Du findest mich doch süß, nicht wahr?« Suze ließ kurz von Marlenes Kostüm ab, um sich ihr altes T-Shirt ein wenig zurecht zu ziehen.
»Und ob«, nickte Nell. »Schade, dass das bei mir nichts fruchtet.« Wo in aller Welt war Jack?
»In blauer Seide siehst du auch süß aus, Liebling«, fuhr Suze fort. »Ich sage dir, wir verpassen etwas.«
Nell blickte auf ihren blauen Pyjama. Blau stand ihr tatsächlich gut. Vielleicht sollte sie sich ein blaues Nachthemd kaufen. In Spitze. Nur für den Fall, dass irgendjemand irgendwann einmal vorbeischneien würde. Sie rutschte unruhig auf dem Bett hin und her und suchte nach einer Ablenkung. »Hast du noch irgendetwas zu essen, was nicht an das Erntedankfest erinnert?«
Sie gingen in die Küche hinunter und Marlene folgte ihnen in der Hoffnung, dass etwas Essen für sie abfallen möge. Suze lugte in den Kühlschrank. »Lasagne von gestern. Sellerie und Karotten. Käse. Im Tiefkühlfach ist noch Schokoeis mit kleinen Keksstückchen. Alles andere sind Reste vom Festmenü.«
»Ja«, sagte Nell.
»Ja was? Das Eis?«
»Ja zu allem. Ich verhungere. Hast du noch Wein?«
Suze begann den Kühlschrank auszuräumen. »Das ist wirklich eine schöne Abwechslung. Letzten Sommer mussten wir dich noch regelrecht zwangsernähren.«
»Ich hatte es satt, dass man mir ständig Essen reinstopfen wollte.« Nell machte sich über die Karotten her. »Und plötzlich bekam ich Hunger, und jetzt kann ich es gar nicht schnell genug alles aufholen.« Abgesehen davon denke ich nicht an Sex, wenn ich esse.
»Jedenfalls siehst du viel besser aus.« Suze nahm eine Flasche Rotwein vom Regal und suchte nach dem Korkenzieher.
»Wiegst du wieder so viel wie früher?«
»Nein, und das möchte ich auch nicht«, erwiderte Nell. »Mir gefallen deine abgelegten Kleider. Aber ich bin jetzt wieder gesund und mein Gewicht ist geradezu vorschriftsmäßig.«
Suze reichte Nell sowohl die Flasche als auch den Korkenzieher. Dann stürzte sie die Lasagne auf einen Teller und schob sie in die Mikrowelle. »Gleich gibt’s Kohlenhydrate. In der Gefriertruhe unten befinden sich vermutlich noch Steaks. Soll ich dir ein paar fürs Frühstück morgen auftauen?«
»Warum nicht.« Nell hantierte mit dem Korkenzieher. »Steak und Eier. Warum müssen wir damit eigentlich bis zum Frühstück warten?«
Suze ging in den Keller und kam mit drei Steaks zurück, die sie in den Spülstein zum Auftauen legte. »Ich kann mir nicht vorstellen, Vegetarier zu sein.« Suze nahm das
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