Liebe auf eigene Gefahr Roman
blutet!«, verkündet Jennifer-zwei. »Ich wette, sie hat eine Gehirnerschütterung.«
»Eis«, stoße ich hervor.
»Wir müssen ihr Eis holen.« Laura wischt sich mit dem Handrücken über die Augen und steht auf.
»Ihr weckt meine Mutter auf, wenn ihr da hochgeht!«, heult Michelle erschrocken, als eine ganze Mannschaft zur Treppe stürzt. Irgendjemand greift nach einem Paar rosa Rüschensocken, um es auf das Blut zu pressen, das ihr aus dem linken Nasenloch tropft.
»Kommt, wir bringen sie ins Bad.« Jennifer-eins hilft, sie hochzuhieven, woraufhin die Gruppe sie unter mehrmaligem Absetzen auf die andere Seite des Kellers schleift.
»Laura«, kommt Jeanines Stimme von hinten.
Wir fahren herum und sehen, dass sie immer noch vor der schwarzen Glasscheibe steht und auf das beleuchtete, laubbedeckte Stück Rasen starrt. »Lass uns gehen«, sagt sie.
»O Mann, geht nicht«, erinnere ich sie.
Jeanine dreht sich um, ihr Gesicht ist hart. »Ich hab nicht mit dir geredet, sondern mit Laura. Wisch dir das Zeug ab, und dann lass uns zu den anderen gehen.«
Ich schaue zu Laura hinüber und warte darauf, dass sie Jeanine sagt, sie solle sich zum Teufel scheren. Aber sie tut nichts dergleichen. Nachdem sich Jeanine die Pyjamahose vom Körper gerissen hat, schlüpft sie in ihre Jeans und fährt mit den Füßen in ihre Halbschuhe. »Rick Swartz ist auch dort. Seit dem Fußballlager diesen Sommer ist er mit Jason befreundet.« Sie zieht ihr Oberteil aus, unter dem sie immer noch ihren abgetragenen Sport-BH trägt, wahrscheinlich ein abgelegtes Kleidungsstück ihrer Schwester. Verlegen beeilt sie sich, ihr Sweatshirt über den Kopf zu ziehen. »Na los, komm!«
»Warum bleibst du nicht einfach hier, Jeanine?« Die Unsicherheit in Lauras Stimme schnürt mir die Brust zusammen. »Du weißt, dass deine Mutter dich sonst umbringt.«
»Ich muss.« Jeanine zieht einen Lipgloss aus der Tasche, schmiert ihn sich auf den Mund und reibt die Lippen aneinander.
»Nein, musst du nicht. Dort draußen sind nur vier Mädchen. Ungefähr dreizehn von uns sind noch hier.«
»Dreizehn kleine Mädchen, die den Rest der siebten Klasse mit Make-up spielen werden.« Jeanines Augen verengen sich.
»Warum musst du eigentlich alles machen, was Kristi sagt?«, stellt Laura endlich die Frage, die sie schon so lange stellen wollte. »Sie ist noch nicht mal besonders witzig. Ich meine, sie hat hier den ganzen Abend in der Ecke gesessen und ein gelangweiltes Gesicht gezogen. Sie ist doch nur … Ich weiß nicht. Nur weil ihre Mutter Filialleiterin in der Mall ist und sie deswegen Designer-Klamotten tragen kann …«
»Man hat Spaß mit ihr. Jede Menge Spaß. Und ich habe keine Lust, hier mit einem Haufen Babys herumzusitzen, die noch nicht mal mit Jungs telefonieren, um die ganze Nacht lang Kindermädchen für Michelle Walker zu spielen. Also, kommst du jetzt oder nicht?«
Laura blickt zu Boden. »Nein«, sagt sie leise.
Jeanines Gesicht wird genauso glutrot wie ihr Haar. »Ich hoffe, ihr zwei werdet glücklich miteinander. Und ladet mich bloß nicht zur Hochzeit ein.«
»Leck mich«, sage ich und überrasche mich selbst damit.
»Leckt euch doch selbst.« Geräuschlos schließt sie die Schiebetür hinter sich.
Fassungslos hält Laura meinem Blick stand. »Warte«, sagt sie. Und ich bereite mich auf den Moment vor, mit dem ich seit dem Tag, an dem mir Laura von Jeanine erzählt hat, gerechnet habe: der Moment, in dem Jeanine klar wird, dass es der größte Fehler ihres Lebens war, die beste Freundin sitzen zu lassen, die man sich nur vorstellen kann, der Moment, in dem sie Laura zurückhaben will. Der Moment, in dem Laura geht. Weil die beiden eine gemeinsame Vergangenheit haben. Eine gemeinsame Grundschulzeit. Weil sie gemeinsam lesen gelernt haben und alle möglichen anderen Dinge teilen, die ich niemals …
»Wer bin ich denn?« Mit dem Gesicht voran lässt sie sich auf den nächsten Schlafsack fallen.
»Hör auf«, formt Laura streng mit den Lippen und bringt mich damit an den Punkt, an dem ich das Lachen nicht mehr zurückhalten kann.
Vom Lachreiz überwältigt, knalle ich den Hörer auf. »O Gott, ich mach mir in die Hose!« Ich rolle auf dem Teppich im Flur vor dem Schlafzimmer von Lauras Eltern herum, wo ich das Telefonkabel bis zum Äußersten gedehnt habe.
» Katie! «, stöhnt sie vom anderen Ende des Flurs, wo sie ihrerseits das Telefonkabel ihres Bruders zum Äußersten gespannt hat, damit wir uns beim »ersten Anruf«
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